Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 21 (21)

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Der polizeilichen Machtäusserung sind eben Grenzen gesteckt, 
über welche sie dem einzelnen gegenüber nicht hinausgehen 
kann. Sie beruhen — wie OTTO MAYER $ sagt — auf der Idee 
von einem dem Staate unantastbaren Gebiet der Freiheit des 
einzelnen. Mit andern Worten: Dem Individuum ist die Unver- 
letzlichkeit seiner Freiheit und seines Eigentums verfassungs- 
mässig garantiert. Soll nun im Interesse eines geordneten Zu- 
sammenlebens der Freiheit oder dem Eigentum des einzelnen 
eine Beschränkung auferlegt werden, so bedarf dieselbe einer 
gesetzlichen Grundlage ®”. Die polizeiliche Tätigkeit hat aber 
gerade einen Eingriff in die Rechtssphäre des einzelnen zum In- 
halt, sie bedarf daher einer ausdrücklichen Ermächtigung, 
der Bezugnahme auf eine bestimmte Rechtsvorschrift ®®, 
Hier erhebt sich nun die wichtige Frage: Muss die für einen 
polizeilichen Eingriff erforderliche gesetzliche Grundlage ein Satz 
des geschriebenen Rechtes sein, oder kann ein solcher 
Eingriff auch durch eine gewohnheitsrechtliche Norm gestützt 
werden? In der Literatur ist die Meinung noch ziemlich ver- 
breitet, dass das Gewohnheitsrecht für die Verhältnisse des öffent- 
lichen Rechts genau so gelten müsse, wie für die zivilrechtlichen ®. 
Demgegenüber hat nun OTTO MAYER in treffender Weise nach- 
gewiesen, dass die Voraussetzungen für die Wirksamkeit des 
Gewohnheitsrechts in der Verwaltung ganz andere seien, als in 
der Justiz. Die Justiz ist geradezu darauf angewiesen, die 
Lücken des gesetzten Rechts auszufüllen durch das, was bisher 
für den betr. Gegenstand als Recht galt, die Uebung des ein- 
zelnen und der das Recht handhabenden Behörde. 
s6 OTTO MAYER, Theorie des französ. Verw.Rechts S. 174. 
#7 OtTo MAYER, Deutsches Verwaltungsrecht Bd. I S. 97. 
38 SpyDEL, Bayrisches Staatsrecht, 2. Aufl. Bd. III S. 4. 
3% Der Kürze halber sei hier auf die bei Orto Mayer, Bd. 18. 132 
Note 20 zitierten Literaturstellen verwiesen. Vergleiche ausserdem u. a. 
REHM, in HırTas Annalen 1895 S. 61 ff. 
‘0 Otto MAYER, a. a. O. Bd. IS. 131.
	        
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