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auf der Strasse zu regeln, nicht aber den baulichen Zu-
stand derselben zu beeinflussen, so überschreitet die Polizeiver-
ordnung, welche sich auf die Unterhaltung der Trottoirs erstreckt,
den sachlichen Bereich der polizeilichen Gewalt ®. Man erkennt
hier ganz deutlich, wie die Gemeinde in einen Akt der innern
Verwaltung eingreift, um einen Teil der ihr selbst kraft positiven
Rechts ® obliegenden Verpflichtung auf die Adjazenten zu über-
wälzen. Die Gemeinde missbraucht die ihr als Ortspolizeibe-
hörde zustehende Befehlsgewalt. „Solches Faustrecht passt nicht
in unsern Rechtsstaat“ hat einmal SEYDEL°® in diesem Zu-
sammenhang treffend gesagt.
Man sieht also, die Massnahme der Gemeinden, im Wege
der Polizeiverordnung die Unterhaltung der Trottoirs den Adja-
zenten aufzubürden, gerät mit der ganzen Lehre von der polizei-
lichen Gewalt in Konflikt. Insbesondere verstösst sie auch gegen
den Grundsatz, dass sich im Rechtsstaate der polizeiliche Ein-
griff nur gegen den Störer richten kann °®, Stören kann ein
Individuum sowohl durch polizeiwidriges Handeln, als auch
entsprechendes Unterlassen. So handelt z. B. der Eigen-
tümer eines baufälligen Hauses polizeiwidrig, wenn er der Auf-
forderung der Polizeibehörde zur Abänderung des Zustandes
8° Das hat auch EDEu zutreffend erkannt, wenn er mit Bezug auf die
vorliegende Frage ausführt, dass die Sorge für Anlage und Unterhaltung
der Strassen keine Polizei- sondern eine Verwaltungsangelegenheit ist, die
nach Bedeutung der Strasse in die Aufgabe von Staat, Distrikt oder Ge-
meinde fällt. (Ever, Das PolStGB. für Bayern v. 1871 S. 165.)
% Nämlich GemO. Art. 29, näheres weiter unten.
8 SEYDEL, Blätter f. adm. Praxis Bd. 47 S. 360.
e8 Vergl. die von OTTO MAYER (Bd. I S. 270) zitierte interessante Ent-
scheidung des preussischen Oberverw.Gerichts. Die Polizei will im Inter-
esse der Sicherheit eines Weges die Angrenzer zur Herstellung eines Zaunes
zwingen. Das Oberverw.Gericht missbilligt dies, da die Polizei sich nur an
den Wegebauverpflichteten halten könne, „an den Störer“, nicht
aberkann sievon einem Dritten die Herstellung einer
durch die veränderten Bedürfnisse der verkehrsnot-
wendigen Neuanlagen fordern,