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für den rein praktischen Gebrauch ziemlich wertlos geworden. Welchen
Dank daher die Wissenschaft demjenigen schuldet, der die schwierige und
mühevolle Arbeit der Erhaltung und Fortführung jenes tüchtigen Werkes
nicht gescheut hat, bedarf hiernach keiner weiteren Hervorhebung.
Die erste Aufgabe des neuen Bearbeiters bestand darin, das v. RÖNNE-
sche Buch seinem Hauptvorzuge gemäss unter peinlichst sorgfältiger Samm-
lung und Verwertung aller durch den Fortgang des Staatslebens, der Gesetz-
gebung und der neueren Staatsrechtswissenschaft bedingten Ergänzungen
dem heutigen Stande der Gesetzgebung und Literatur entsprechend zu ge-
stalten und so der modernen Praxis und Wissenschaft anzupassen. Andrer-
seits durfte sich der Verfasser aber der Einsicht nicht verschliessen, dass
bei der Neubearbeitung mehrere prinzipielle Momente einer Abänderung
und Verbesserung bedurften. Besonders zwei Eigenarten des v. RöNnNEschen
Werkes mögen in diesem Zusammenhange genannt sein: Die besondere Be-
tonung des konstitutionellen Gedankens und die reichliche Benutzung parla-
mentarischen Materials. Beides geht Hand in Hand.
v. RönNe hatte die bedeutsame Epoche des Uebertritts Preussens zum
konstitutionellen System in allen Phasen miterlebt und als begeisterter
Verfechter der neuen Ideen sich die Aufgabe gesetzt, das neue preussische
Staatsrecht zur Darstellung und den neuen konstitutionellen Staatsgedanken
zum wissenschaftlichen Verständnis zu bringen. Für ihn ist die preussische
Verfassungsurkunde in erster Linie eine konstitutionelle, die freilich z u-
gleich das monarchische Prinzip nach allen Richtungen hin wahrt. Diese
Auffassung enthält aber doch eine gewisse Verkennung oder, wie sich ZORN
in der Vorrede zum 1. Bande der Neubearbeitung sehr mild ausdrückt, kein
Durchringen zu „voller Festigkeit des monarchischen Staatsgedankens
als des Grund- und Ecksteins des preussischen Staates und Staatsrechtes“.
„Die plenitudo potestatis ruht nach preussischem Staatsrecht im König;
der König ist Grund und Quelle alles Rechtes in Preussen. An diesem
Fundamentalsatze hat auch die Verfassungsurkunde nichts geändert“. Sie
enthält nur eine Einschränkung, aber keine Negation der primären Natur
der preussischen Königsmacht. Diese Auffassung wird der historischen
Entwicklung, sie wird auch dem geltenden Rechtszustande gerecht.
Der v. Rönneschen Anschauung entspricht die hohe Wertschätzung
und fortgesetzte Wiedergabe der im Parlament vertretenen Ansichten und
Meinungen; war er doch selbst lange Jahre eifriges Mitglied der Volks-
vertretung. Diese seine Methode lässt jedoch nicht nur die theoretische
Untersuchung sehr oft zu kurz kommen, sondern sie entbehrt auch häufig
jedes tieferen wissenschaftlichen Interesses. Es ist daher nur zu billigen,
wenn ZORN das parlamentarische Material nur da herangezogen hat, wo
wirklich irgend eine Förderung der wissenschaftlichen Gestaltung des Stoffes
davon zu erwarten war.
Im ersten Bande der neuen Ausgabe hatte nun der Verfasser nicht