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1. Zunächst dürfen die Gerichte keinen Verwaltungsakt vor-
nehmen. Einen Verwaltungsakt stellt auch der Erlass einer all-
gemeinen Verordnung dar, und darum ist eine derartige Ver-
fügung den Gerichten nicht nur auf dem Gebiete des Verwaltungs-
rechts (art. 127 no. 2 Code p£nal), sondern auch auf dem Gebiete
der „causes qui leur seront soumises“ (art. 5 Code civil) aus-
drücklich verboten.
2. Akte der Verwaltung haben den Gerichten gegenüber
unbedingten Anspruch auf Anerkennung. Die Gerichte dürfen
daher nicht einen Verwaltungsakt für ungültig erklären oder seine
Ausführung verbieten (art. 127 no. 2 Code penal). Sie dürfen
auch nicht eine Entscheidung treffen, welche auf der Voraus-
setzung beruht, dass der Verwaltungsakt ungültig sei.
Nur in einem Falle gilt eine Ausnahme. Wenn es sich für
ein Gericht darum handelt, an die Uebertretung einer Polizei-
verordnung die gesetzliche Strafe des art. 471 no. 15 Code penal
zu knüpfen, hat es zu prüfen, ob die Verordnung gesetzmässig
und von der zuständigen Behörde erlassen ist; wenn diese Be-
dingungen nicht erfüllt sind, darf das Gericht allerdings die Ver-
ordnung nicht für ungültig erklären, hat ihr aber den strafrecht-
lichen Schutz zu versagen.
3. „Determiner le sens et la portee d’un acte peut Equivaloir
& annuler cet acte.“ Die Gerichte dürfen daher Verwaltungsakte
nicht auslegen.
Diese Regel gilt aber nicht für allgemeine Verordnungen und
nicht für actes de gestion, d.i. Handlungen des Staats, in wel-
chen er sich auf das Gebiet des Privatrechts hinabbegeben hat.
Sie findet nur Anwendung für actes d’autorite, in welchen ein
Einzelfall unter Hervorkehrung der staatlichen Hoheit geregelt
werden sollte. Entsteht in einem Zivilprozesse ein debat serieux
über die Bedeutung eines solchen, so hat das Gericht das Ver-
fahren auszusetzen, bis die Auslegung durch die Behörde, welche
den Akt erlassen hat, erfolgt ist.