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II.
Die Verwaltungsrechtspflege.
I. Justiz und Verwaltung sind der Rechtsordnung untertan.
Diese spielt aber der Justiz gegenüber eine andere Rolle als im
Betriebe der Verwaltung.
Die Gerichte finden die Entscheidung, welche sie zu treffen
haben, stets im Gesetze vorgeschrieben. Dies gilt auch dann,
wenn dem Richter ein freier Spielraum bei seiner Entscheidung
gelassen ist (88 315, 343 B.G.B., art. 1184°, 1655 C.c.), und
wenn er aus Billigkeit von der Beobachtung des strengen Rechts
Abstand zu nehmen berechtigt ist ($ 829 B.G.B.).. Denn auch
dann spricht der Richter nur aus, was der wohlverstandene Wille
des Gesetzes für diesen Fall und demnach Inhalt des subjektiven
Rechts bereits war, und urteilt nicht nach Zweckmässigkeits-,
sondern nach Rechtsgründen.
Die Verwaltung dagegen kennt neben Verfügungen, bei denen
sie durch Gesetz oder ein zu berücksichtigendes Recht eines
Privatmannes gebunden ist, Entschliessungen, welche in ihr freies
Ermessen gestellt sind (actes de pure administration, actes du
pouvoir discretionaire). Ist der Verwaltungsakt von einer un-
zuständigen Behörde oder von der zuständigen Behörde unter
Nichtbeobachtung der für das Verfahren vorgeschriebenen Form
erlassen, so ist die Rechtsordnung in gleicher Weise verletzt,
mag es sich um eine gebundene oder eine freie Entschliessung
handeln. Dagegen kann, wenn die zuständige Behörde in der
richtigen Form gehandelt hat, eine Verletzung der materiellen
Rechtsordnung nur durch einen Verwaltungsakt erfolgen, dem
durch die Gesetze ein bestimmter Weg gewiesen war; ein Akt
des freien Ermessens kann zwar ein Interesse schädigen (interöt
froisse), nicht aber ein Recht verletzen (droit lese).
Um Sicherheit dafür zu bieten, dass die Verwaltung sich in
den Schranken der Rechtsordnung hält, ist eine besondere Ver-