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Trotzdem findet die französische Verwaltungsrechtspflege viele
Verteidiger. Es wird allgemein anerkannt, dass die Entschei-
dungen des Staatsrats von einem freien Geiste beherrscht und
dem Bürger oft mehr entgegengekommen sind als die Urteile des
Kassationshofs. Ferner ist es zweifellos richtig, dass es einem
innerhalb der Verwaltung stehenden Beamten leichter wird, den
Geist von verwaltungsrechtlichen Bestimmungen zu verstehen, als
dem ausserhalb stehenden Richter. Denn dieser wird immer ge-
neigt sein, auf Rechtfragen, die nach den besonderen, verwal-
tungsrechtlichen Bestimmungen zu entscheiden sind, die nicht
passenden Bestimmungen des bürgerlichen Rechts, mit denen er
vertraut ist, anzuwenden.
Hieraus ergibt sich der entscheidende Punkt. Die Aus-
antwortung der Verwaltungsrechtspflege an die Verwaltung recht-
fertigt sich durch die Notwendigkeit, in Verwaltungssachen das
von dem bürgerlichen Rechte verschiedene Verwaltungsrecht zur
Anwendung zu bringen. Denn mit der Zuständigkeit wechselt
auch das anzuwendende materielle Recht. Das ordentliche Ge-
richt wendet, wenn es eine die Verwaltung betreffende Frage zu
entscheiden hat, sein bürgerliches Recht an. Damit das beson-
dere Verwaltungsrecht Geltung erlange, ist es nötig, den Streit
den ordentlichen Gerichten zu entziehen. Es ist daher richtig,
wenn SAINT GIRONS sagt: „la juridietion administrative derive
beaucoup moins du principe de l’inde&pendance des deux autorites
que de la specialit& des affaires rentrant dans sa competence“
(la separation des pouvoirs S. 486).
Ill.
Erläuterung des Grundsatzes von der Selbständigkeit von Justiz
und Verwaltung.
Nicht immer vermag die Formel, dass Justiz und Verwaltung
von einander unabhängig sind, eine sofortige Beantwortung der
Frage nach der Zuständigkeit zu geben. Es treten Fälle auf,