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auch nach Emanation des ALR. die Wiederentziehung ver-
liehener Ehrentitel nicht rechtlich unmöglich.
(tegen Ausgang des 18. Jahrhunderts betrachtete das gemeine
deutsche Staatsrecht, an dessen damalige Grundsätze die staats-
rechtliche Partie des ALR. im wesentlichen sich anschliesst,
die Führung von äusseren Ehrenzeichen und Ehrentiteln nicht
mehr als eine Sache „der natürlichen Freiheit“ des Einzelnen.
Der Fürst galt für den Umfang seiner Herrschaft als Quelle
aller äusseren rechtlich zulässigen Ehren. MUELLERsS Promtu-
arium juris IX. 1788 S. 2336 stellt den Satz auf: Non negandum
quidem Principem omnis dignitatis primarium fontem esse, sed
haec a Principe ex superioritate territoriali concessa dignitas
territorii cancellos non egreditur. So erachtete man das Tragen
von „Ordenszeichen“ von einer vorherigen Verleihung des Fürsten
abhängig (MUELLER, Promt. jur. VIII s. h. v.), nicht minder
aber auch den Gebrauch blosser „Ehrentitel“ ®. Besonders in-
struktiv für die Erkenntnis der in Deutschland in der zweiten
Hälfte des 18. Jahrhunderts herrschenden Rechtsauffassung ist
folgende Stelle aus PÜTTERs Auserlesene Rechtsfälle II. 4.
8. 1019 (Responsum im Namen der Göttingischen Juristen-Facultät
abgefasset im Feb. 1767):
„Dennoch aber und dieweil 1) nach der heutigen Verfassung eine aus-
gemachte Sache ist, dass die Tragung solcher Ehrenzeichen, die mit ge-
wissen Ehrenstellen oder mit der Aufnahme in diese oder jene Gesellschaft
verbunden seyn, und als ein äusserliches in die Augen fallendes Kenn-
zeichen eines darinn zu setzenden Vorzuges solche Personen von andern zu
unterscheiden dienen sollen, keineswegs so angesehen wird, als ob sie in
der natürlichen Freyheit beruhe, und von einer jeden Gesellschaft für sich
nach eigner Willkühr eingeführet werden könne; vielmehr 2) nach eben
den Grundsätzen, wie dasiusmunerum et honorum überhaupt
einRegal ist, so dass weder eigentliche Ehrenstellen, noch die damit
verknüpften oder auch für sich zu gebrauchenden äusserlichen Unterschei-
dungs-Zeichen, sobald nur im geringsten einiger Vorzug oder praeeminentia
ciuilis darinn liegt, von keiner Privat-Person ohne höhere Bewilligung ein-
—<— 00.
® Vgl. Ca. WoLrr, Jus naturae VIII S. 580, 588. J. J. Moser, Von
der Landeshoheit in Gnadensachen S. 22.
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