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einer Privilegienaufhebung durch einen Gesetzgebungsakt des
Landesherrn anerkannt: ohne Rücksicht namentlich auf den In-
halt der 8$ 70—72 Einl.’%°. Eine Entschädigung erhielt in diesem
Falle der Privilegierte nur, wenn der Gesetzgebungsakt des
Landesherrn dies ausdrücklich vorsah'”. Nach $ 62 sollte frei-
lich der Landesherr dabei den Privilegierten, den die Sache „zu-
nächst anging“, mit seiner Notdurft hören, ohne dass jedoch über
die Beobachtung des 8 62 im Einzelfall der Richter anzurufen
war!®. Ganz unzweifelhaft durfte aber der Hohenzollernkönig
nach Emanation des ALR. die entschädigungslose Aufhebung von
Privilegien i. e. S. in einem „allgemeinen“ Gesetz aussprechen '”.
Ein solcher „allgemeiner“ Gesetzgebungsakt vollzog sich auf
Grund des $ 6 II 13 ALR., welcher nach seiner Entstehungs-
geschichte die Betätigung der potestas legislatoria des Staats-
oberhaupts, sofern sie in dem Erlass von Normen genereller
Natur („des gemeinen Rechts“) bestand, betraf. Daneben blieb
jedoch auch von Staatsrechtswegen die Möglichkeit bestehen, ein
168 Gerade die aus $$ 59, 62 resultierende Einschärfung den Privile-
gierten, den „es zunächst angeht“, mit seiner Notdurft zu hören, zeigt, dass
hier ein besonderer Aufhebungsmodus angeordnet wird. Das ALR. wendet
zwar den Privilegienbegriff an den verschiedenen Stellen in verschiedenem
Sinne an. Aber die $$ 63-72 Einl. betreffen, wie schon ihr Wortlaut er-
gibt (vgl. $ 64 Rechte und Priv. $ 65 Ausübung des der Sache ankleben-
den Rechts. $ 66 Priv. oder Recht. $ 72 Missbrauch seines Priv.), nur die
favorablen Priv. i. e. S. Der Gesetzgeber schon des ALR. bezog ihre An-
wendbarkeit zunächst wohl auf Spezialakte, mit welchen der Regent selbst
ein favorables Priv. i. e. S, verliehen und welche ihrer Rechtsnatur nach
Ausflüsse der pot. legislatoria waren. Doch war die Anwendung nicht auch
da ausgeschlossen, wo der Regent, statt selbst ein favorables Priv. i. e. 8.
zu verleihen, einen Beamten zu der Verleihung eines solchen ermächtigt.
Da der Beamte bei einer solchen Privilegerteilung nur in einem konkreten
Fall den in allgemeinen Rechtsnormen bereits niedergelegten Willen des
spezifischen Gesetzgebers zum Ausdruck brachte, gestaltete sich seine
Privilegerteilung rechtlich lediglich als Verwaltungsakt.
17 STRIETHORST 60 S. 115, OVG. IL S. 19 I 1880 Bd. 6 S. 40.
18 KocH, Kom. I61 N. 5.
"9 STRIETHORST 60 S. 115.