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wird im englischen politischen Leben durch die wechselnden Unterhaus-
parteien, die im Parlament durch Männer aus derselben gesellschaftlichen
Lage vertreten sind, und die nicht festen Scheidelinien im Volke entspre-
chen, geschaffen. .
In schroffem Gegensatz zu diesem englischen unitarischen Parlamentaris-
mus steht nach dem Verfasser der „dualistische Parlamentarismus“ Nord-
amerikas und Schwedens.
Viel ist gewiss richtig beobachtet in dieser neuen und im ersten Augen-
blick überraschenden, energischen Ausführung des Gedankens, dass die
amerikanische und die schwedische Verfassung eigentlich denselben Grund-
plan haben. Für das historische Nachdenken dürfte der Sachverhalt sich
gewiss sehr natürlich darstellen.
Eine andere Frage ist nur: ist die so erkannte Aehnlichkeit des Auf-
baues imstande, nicht bloss sachverständige anregende Ausblicke darzu-
bieten, sondern auch einen reellen Einfluss auf die Entwicklung des schwe-
dischen Staates auszuüben ?
In Schweden wird seit den letzten Jahren im Anschluss zu kräftigen,
gesellschaftlichen und ökonomischen Aenderungen ein scharfer politischer
Kampf geführt. Die Zweite Kammer tritt gegen die Erste auf, und die
Arbeiterklasse verlangt, dass allgemeines Stimmrecht den jetzigen Wahl-
zensus ablöse. FAHLBECK befürchtet, dass die Entwicklung -- teilweise
von unklaren Vorstellungen von Analogie mit dem englischen unitarischen
Parlamentarismus beeinflusst — dazu kommen soll, den Mechanismus der
Verfassung zu stören und den Staatswillen und die Staatsgewalt nach
aussen und nach innen dadurch abzuschwächen, dass der eine nach der
Verfassung geplante Grundpfeiler, die Krone, gebrochen wird, ohne dass
man andererseits die englische Kabinettsregierung erhält, die den histori-
schen Ueberlieferungen des Landes so fern ist. Ferner dadurch, dass
die Zweite Kammer die Alleinherrschaft über die Regierung und diese
wieder über dıe Krone erringt, während die eigentümliche Erste Kammer
zurückgeschoben wird, alles, ohne dass man die besonderen Parteivoraus-
setzungen des englischen Parlamentarismus besitzt. Hierdurch würde die
Verantwortung auf einen unbestimmten, ungreifbaren Kreis von Indi-
viduen zersplittert werden.
Der Verfasser ruft da von dem stillen Obdache eines Studierzimners
seinen streitenden Landsleuten zu: Besinnet Euch, von welchem Guss die
Verfassung ist, die Ihr habt! Betrachtet die grosse Republik drüben und
die grosse Macht des Staatschefs! Dort gibt es eine demokratisch-parla-
mentarische Verfassung, und doch nicht Kammermajoritätsherrschaft oder
Missvertrauensvoten; es berührt das System gar nicht, ob der Staatschef
ein Präsident oder ein König ist.
Die Zukunft wird sicher ergeben — wie die rasche Entwicklung es
schon seit dem Erscheinen des FantsEokschen Buches gezeigt hat —
Archiv für öffentliches Recht. XXII. 3 u. 4. 36