Die österreichische Parlamentsreform.
Von
Professor Dr. RUDOLF von HERRNRITT in Wien.
I.
Der Beginn des Jahres 1907 brachte in Oesterreich ein Ge-
setzgebungswerk zum Abschlusse, welches von weitesttragender
Bedeutung nicht nur für die innere Entwicklung des österreichi-
schen Staates, sondern der gesamten österreichisch-ungarischen
Monarchie werden dürfte. Durch Gesetz vom 26. Januar 1907
wurde an Stelle des bisherigen Wahlrechtes für den österreichi-
schen Reichsrat, welches seit der Reform vom Jahre 1896 auf
einer Kombination des ständischen Kurienwahlrechtes im moder-
nen Gewande einer „Interessenvertretung“ mit dem allgemeinen
Wahlrechte beruhte, unter Beseitigung der Wähler-
kurien ein vorzüglich nach den Volksstämmen des Staa-
tes differenziertes, innerhalb dieser aber — von der vielfachen
Scheidung zwischen Stadt und Land abgesehen -—- gleiches,
allgemeines Wahlrecht gesetzt.
Denn es würde eine Selbsttäuschung sein, wollte man in
der Wahlreform die Einführung des „allgemeinen, gleichen Wahl-
rechtes“ im landläufigen Sinne der Doktrin schlechthin erblicken.
Dabei ist natürlich nicht an die dem gegenwärtigen Kulturzu-
stande der europäischen Staaten entsprechenden Einschränkungen