Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 22 (22)

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Abgeordnetenhaus von den politischen Kämpfen in den Land- 
tagen, welche wiederholt die Wahlen in den Reichsrat verweigert 
hatten, emanzipiert und der einheitliche Staatsgedanke gefördert 
werden. 
Zunächst stand auch das neue Reichsratswahlrecht streng 
auf dem Standpunkte der historischen Interessenvertretung und 
wir finden auch hier die obigen vier Kurien wenig verändert 
wieder. Allein nunmehr begann alsbald die Anpassung des 
Wahlrechtes an die Anschauungen der Zeit und an die geän- 
derten wirtschaftlichen Verhältnisse und damit eine allmähliche 
Abbröckelung der Organisation der Interes- 
senvertretung. Durch Gesetz vom 4. Oktober 1882 er- 
hielten zunächst sämtliche Gemeindemitglieder das Reichsrats- 
wahlrecht ohne Rücksicht auf die Landtagswahlberechtigung, 
wenn sie eine direkte Steuer von 5 fl. entrichteten (Fünfgulden- 
männer). Dadurch wurde das Prinzip der Interessenvertretung 
in der Städte- und Landgemeindenkurie wesentlich beeinträchtigt. 
Die ungefähr 400000 neuen Wähler standen der politisch recht- 
losen Masse der Städte- und Landbewohner weit näher als dem 
bisher wahlberechtigten Bürgertume. Ein weiterer Schritt in 
dieser Richtung geschah durch das Gesetz vom 5. Dezember 1896, 
welches in der Städte- und der Landgemeindenkurie den Zensus 
auf 4 fl. herabsetzte. Die Wähler der Städte waren damit in 
den Jahren 1879 bis 1897 von 191934 auf 394196 und diejeni- 
gen der Landgemeinden innerhalb des gleichen Zeitraumes von 
1019415 auf 1490059 bei einer Gesamteinwohnerzahl von rund 
25000000 gestiegen. Durch diese Wandlungen war das im 
ganzen unverändert gebliebene Wahlrecht des Grossgrund- 
besitzes und der Handels- und Gewerbekammern 
zu einem wahren Privilegium weniger Besitzender geworden und 
die Kluft zwischen diesen und der grossen Masse der Bevölke- 
Yung wesentlich erweitert. 
Um diese Zeit haben auch tiefgehende Wandlungen den
	        
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