Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 22 (22)

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sozialen Unterbau der europäischen Staaten, namentlich aber 
jenen Deutschlands und Oesterreichs erfasst. Der gewaltige Auf- 
schwung der Industrie, die zur Hauptquelle des nationalen W ohl- 
standes geworden war und an Bedeutung die anderen Zweige der 
Volkswirtschaft vielfach überholte, hat ineindustrielle Ar- 
beiterschaft grossgezogen, welche durch die allgemeine 
Schulpflicht und durch das Fach- und Gewerbeschulwesen geistig 
gehoben, durch die allgemeine Wehrpflicht zur Disziplin erzogen 
und durch die eigenen Verbände für die Pflege öffentlicher An- 
gelegenheiten vorbereitet, die gleichen politischen Rechte bean- 
spruchte, deren die Arbeiterschaft in anderen Ländern inzwischen 
teilhaft geworden war! Der Ausschluss dieser Schichten von 
den politischen Rechten erschien schon wegen der grossen Be- 
lastung derselben durch die indirekten Steuern, welche im 
Staatshaushalte eine überwiegende Bedeutung erlangt hatten, als 
eine stets härter empfundene Ungerechtigkeit. Ueberdies war in- 
zwischen im Deutschen Reiche das allgemeine Stimm- 
recht zur vollen Geltung gelangt und auch in England durch 
die beiden Reformbills nahezu verwirklicht worden. 
Auch die österreichische Regierung konnte sich dieser Strö- 
mung nicht gänzlich entziehen und die Reformvorlage des Grafen 
TAAFFE vom 10. Okt. 1893 wollte das Wahlrecht in den Kurien 
der Städte und der Landgemeinden in einem grossen Ausmasse 
erweitern und dem allgemeinen Stimmrechte in diesen Wahlkörpern 
sehr nahe kommen, jedoch unter Belassung der übrigen Kurien °°. 
ı* Im Jahre 1900 zählte man in Oesterreich 2 368725 industrielle und 
2.085 532 forst- und landwirtschaftliche Arbeiter. Von 1890 bis 1900 stieg 
die in der Industrie tätige Bevölkerung von 2,9 auf 3,1 Millionen, die 
im Handel und Verkehr tätige von 0,8 auf 1 Million, die in der 
Landwirtschaft tätige sank dagegen von 84 auf 8,2 Millionen 
(SCHWIEDLAND in „Kultur“, 4. Heft 1906). 
15 Nach diesem Entwurfe (Sten. Prot. XI Sess. Beil. 724), welcher „den- 
jenigen, welche ihre staatsbürgerlichen Pflichten erfüllen, die Teilnahme 
am politischen Leben durch Ausübung des Wahlrechtes einräumen“ will,
	        
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