Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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Staaten, je nach dem Zwang vorhandener Gesetze, je nach dem 
Uebergewicht und Einfluss der Unterhändler des einen auf die 
des anderen Landes, zu gänzlich divergierenden Ergebnissen ge- 
langen musste, liegt auf der Hand. Man braucht daraufhin nur 
den deutsch-englischen Vertrag von 1872 und den mit 
Spanien von 1878 zu vergleichen. Dann zeigt es sich, wie 
man deutscherseits die verschiedenen besonderen Voraussetzungen, 
auf deren Erfüllung England seiner Fremdengesetzgebung zufolge 
bestehen musste, vertraglich gleichfalls verlangte, obschon das 
Bewilligen von Auslieferungen im Deutschen Reich als Verwal- 
tungsangelegenheit sonst verhältnismässig einfach vonstatten 
geht!!!, Der Vertrag mit Spanien begnügt sich mit weniger. 
Das alles sind Niederschläge der Invizinität. Was die eine Seite 
an Formalien verlangt, bedingt sich die andere gleichfalls aus; 
was dem einen erschwert wird, wird dem anderen auch erschwert. 
Immer soll man einander gleich sein !!?, Auf diesem Wege kommt 
man zu einer Art negativer Gegenseitigkeit. Während regel- 
mässig die Einführung der Reziprozität beweist, dass man es mit 
Zuugeständnissen der Vertragsparteien, also mit etwas Positivem 
zu tun hat, springt man hier zuweilen auf die negative Seite 
hinüber und zieht ab. Nicht immer braucht das aus einem ein- 
zelnen Vertrage erkennbar zu sein; es ergibt sich meist erst, 
wenn man vergleicht. Dann sind in dem einen Fall die Kon- 
zessionen geringer wie in dem anderen. Auch wird das in vielen 
Fällen dem fremden Staate kaum zum Bewusstsein kommen, 
denn im internationalen Recht ist man daran gewöhnt, nur zu 
erhalten, was man gibt. Wenn man aber beobachtet, wie ver- 
schieden die Gewährungen sind, die jeder Staat in seinen Aus- 
  
1? Vgl. MÜLLER S. 9, i0; FRANK, Auslieferungsgesetz S. 14, 15. Für 
den belgischen Standpunkt England gegenüber v. Marrıtz, Rechtshilfe 
Bd. 2 S. 113, 637. 
113 Wo das nicht der Fall ist, glaubt man sich sogleich beschweren zu 
müssen. Siehe BEAUCHET p. 306 (Frankreich-England).
	        
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