Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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aber nicht. Wenn als festgestellt erachtet werden darf, dass es 
die ideelle Reziprozität internationalrechtlich nicht gibt, dass es 
sich nur um eine empirische handeln kann, so muss auf diesem 
einschränkenden Wege noch ein Schritt weiter geschehen. Auch 
innerhalb der empirischen, der positivrechtlich niedergeschlagenen 
Mutualität muss die Scheidung in absolute und relative, nach- 
dem sie vorgenommen wurde, wieder dergestalt aufgelöst wer- 
den, dass nur eine Art übrig bleibt. Die absolute Invizinität ist 
für die Fälle angenommen worden, in denen die Gegenüberstel- 
lungen einander in der Form entsprachen, und wo damit ihre 
sachliche Uebereinstimmung als hinreichend gegeben vorausge- 
setzt wurde. Dieser Rückschluss aus der Form auf den Inhalt 
ist aber in Wirklichkeit nicht angängig, zumal wenn man an 
das materielle Auslieferungsrecht denkt. Hier wäre eine wirk- 
liche Uebereinstimmung nur möglich, wenn die beteiligten 
Strafrechte identische Normen enthielten. Und diese Identität 
müsste nicht allein hinsichtlich des Legaltatbestandes, sondern 
auch in der wissenschaftlichen Beurteilung und in der praktischen 
Auslegung bestehen. Jede Abweichung in der gesetzlichen De- 
finition und nicht minder jede divergierende Auslegung erweist 
den Rückschluss von der Form auf den Inhalt als trüglich. Schon 
innerhalb eines einzelnen nationalen Rechts weicht die Auffas- 
sung der Gerichte über die Tragweite derselben strafrechtlichen 
Normen mannigfach von einander ab; um so schärfer sind die 
Verschiedenheiten zwischen mehreren Nationen betont !?3, Es wäre 
müssig, dabei zu verweilen. Daraus ergibt sich, dass bei der ab- 
soluten Reziprozität, die sich auf die formal gleiche Redaktion 
beruft, das Innere, der Inhalt, nicht die Uebereinstimmung auf- 
weisen wird, die ein flüchtiger Blick vermuten möchte. Wäre 
wirklich Form und Inhalt voll und ganz reziprok, dann handelte 
  
133 y, MARTENS, Völkerrecht Bd. 2 S. 415: „Uebrigens sind bei der 
Verschiedenartigkeit der Terminologie in den Strafgesetzen der verschie- 
denen Staaten ..... Differenzen schlechthin unvermeidlich.“
	        
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