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tan 13° — im Gegenteil verzichten regelmässig beide Teile auf
jegliche Kostenerstattung und nennen diesen Verzicht kühn Ge-
genseitigkeit. Man hat sich lediglich bemüht, die Vertragsbe-
stimmungen als solche so übereinstimmend zu fassen, als die
verschiedene Sprache und das verschiedene Recht irgend gestatten
wollten. Und nur, damit wenigstens keine Leistungspflicht ange-
rufen werden könne, wenn der andere sie im umgekehrten Falle
nicht auch haben würde, hat man, aus Gründen der Reziprozität
für die Verbindlichkeiten selbst, die Klausel beiderseitiger Straf-
barkeit geschaffen. Eine weitere Rücksichtnahme auf die ent-
stehenden Pflichten und ihr Verhältnis zu einander ist nicht zu
erkennen. Man mochte das selbsttätig mitgeregelt glauben. In
Wirklichkeit aber blieben auf diese Weise zwei Fehlerquellen be-
stehen, wenn man — und dazu zwingt Entwicklung und Auf-
bau des Auslieferungsrechts — annehmen will, man habe der
ideellen Gegenseitigkeit im vollsten Umfang möglichst nahe kom-
men wollen. Einmal steht einer Verschiebung gleicher Pflich-
tenverhältnissenichtsim Wege, selbst wenn in jeder Hin-
sicht identische Bestimmungen in den Vertrag aufgenommen
werden könnten, denn dann bleibt immer noch möglich, um nur
dies eine zu wiederholen, dass die Zahl der gegenseitig zu lei-
stenden Auslieferungen ungleich ist. Und geht man auf die tat-
sächlich beschränkte Reziprozität der Verträge ein und berück-
sichtigt die beiderseitigen Gewährungen oder die Interessen
der Gegenseite an ihnen, so findet man auch hier ein gestörtes
Gleichgewicht, weil die Aufstellung absolut gleichwertiger Be-
138 Wohl hat man sich gelegentlich beschwert und ist sogar zur Kün-
digung eines bestehenden Vertrages geschritten, wenn die Verpflichtungen
sich als gar zu ungleich herausstellten. Dahin gehört vor allem die viel-
hesprochene Aufsage des französisch-englischen Vertrages vom
13. Februar 1843 durch die französische Regierung. Vgl. PREvVoOST-PARADOL,
der die Kündigung missbilligt; Lewıs p. 40; v. Marrırz, Rechtshilfe Bd. 2
S. 861; BEAUCHET p. 305 et suiv.; DE JongE p. 98; LAmmAscH, Ausliefe-
rungspflicht S. 89.
Archiv für öffentliches Recht. XXV. 1. 8