— 118 —
denen Auslieferungsgesetze erlassen sind, und unter diesen wie-
derum besonders zu Belgien, das für die Entwicklung des Extra-
ditionsrechts auf dem europäischen Kontinent vorbildlich war.
Während hier die Verwaltung und ebenso die Gerichte, soweit
sie zur Mitwirkung berufen erscheinen, an den Inhalt der Ver-
träge bezw. des sie normierenden Auslieferungsgesetzes auch
insoweit gebunden sind, als es sich um die Berechtigung
zur Auslieferung handelt, ist im Deutschen Reich die Regierung
durch solche Schranken nicht gehemmt. Auslieferung und son-
stige Rechtshilfe kann ohne Vertrag gewährt werden, und nicht
minder ausserhalb des Rahmens einer abgeschlossenen Konven-
tion !#!, Diese bestimmt die Auslieferungspflicht, begrenzt
dagegen nicht das Auslieferungsrecht, für das nur verfassungs-
gemässe Beschränkungen gelten!*. So vermag auch eine mit
der Gegenseitigkeit als ihrem Prüfstein vorgenommene Ausle-
gung der Verträge nur festzustellen, wieweit die Auslieferungs-
pflicht reicht, und damit die Grenze nachzuweisen, wo deren
Korrelat, der Auslieferungsanspruch, aufhört. Als Rechtsbegriff
hat die Reziprozität nur Raum, wo das Rechtsprinzip herrscht.
Sie versagt, wo die international comity oder ihr Gegenteil be-
ginnt, wo das Recht schweigt, und die Politik spricht'*#,
43. Ausser der Gegenseitigkeit als der grundlegenden An-
schauung für die Interpretation des Auslieferungsrechts sind an
dieser Stelle noch zwei Gedankengänge anzuziehen, die für die
Auslegung des Verbrechenskataloges von Wichtigkeit sind. Das
ist zunächst eine Folgerung aus der vielfach angewandten Redak-
tionsweise, dass die Benennung der auslieferungsfähigen Reate
mit einem schlagwortartigen, mehr oder weniger technischen Be-
111 Vgl. FRANK, Auslieferungsgesetz S. 14.
142 Hierher wäre wohl $ 9 des Strafgesetzbuchs zu rechnen.
143 So ist das Verhältnis der vertraglichen Pflicht und der ausserver-
traglichen Bereitwilligkeit mit J. J. Moser, G. F. v, MARTENS, WHEATON,
FOELIX und allen anderen Positivisten aufzufassen.