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griff ohne weiteren Zusatz geschehen ist. Daneben findet sich
die andere Methode, die man an sich überall hätte anwenden
können, die Methode, den auslieferungspflichtigen Tatbestand
ausführlich zu formulieren. Wo dies geschehen ist, kann über
den Umkreis der Auslieferungsfälle ein Zweifel weniger leicht
aufkommen. Anders in den Fällen, in denen nur eine kurze
Bezeichnung eingesetzt ist. Denn diese ist regelmässig ein Sam-
melbegriff, der nicht selten eine Fülle von strafrechtlichen Tat-
beständen in sich vereinigt '*. Eine solche Rubrikenredak-
tion lässt die Frage offen, welche Tatbestände und wieweit
sie nach dem Vertrage als auslieferungsmässig zu gelten haben.
Die Antwort hierauf kann nur mit Hilfe der Reziprozität ge-
geben werden, die auf der Basis der Klausel beiderseitiger Straf-
barkeit aus den nationalen Strafgesetzbüchern das Gemeinsame
ermittelt, das ihrem Gedanken gerecht wird.
44. Dabei gewährt dieBeachtung der Tendenz Unterstützung,
die das Auslieferungsrecht in seiner Entwicklung beherrscht hat.
Ursprünglich wurde eine Auslieferungspflicht nur für einige
wenige der kriminell gewichtigsten Delikte übernommen, dann
aber erweiterte man allmählich diesen Rahmen, der sich als
zu eng erwies. In den Verträgen aller Länder kann man diese
Bewegung widergespiegelt finden. Mit dem Wachsen der Ver-
kehrsbeziehungen, mit der Lockerung des Nationalitätsverbandes
lohnte es sich für den Verbrecher, auch bei geringfügigeren
Straftaten die heimische Grenze zu überschreiten. Dem mussten
die Konventionen Rechnung tragen, sollten sie ihren Zweck er-
füllen, und damit ergab sich für die Staaten der Zwang, ihre
Auslieferungsbeziehungen qualitativ und quantitativ zu verändern:
qualitativ, indem ausser den ursprünglich allein genannten Ver-
14 v, MArTızz, Rechtshilfe Bd. 2 S. 43; DELIUS in der Zeitschrift für
internationales Privat- und Öffentliches Recht Bd. 2 S. 1; SPEAR p. 39;
BEAUCHET p. 132. Jeder Auslegungsversuch muss notwendig zu dieser Er-
kenntnis führen.