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brechen (crimes), auch Vergehen (delits) und ausnahmsweise
selbst Uebertretungen (contraventions) in die Auslieferungsliste
aufgenommen wurden; quantitativ, indem sich die Anzahl der
Delikte in den einzelnen Kategorien ständig vermehrte!%. Man
gewinnt hieraus für die Auslegung in manchen Fällen die Be-
rechtigung, bei der Einstellung eines strafrechtlichen Typusbe-
griffs in das Verzeichnis die qualifizierten Fälle als mitgemeint
anzusehen. Das ist insbesondere dann zulässig, wenn die qualifi-
zierten Fälle gleichsam die Verbindung zwischen zwei Ausliefe-
rungsdelikten herstellen, wie das z. B. bei der Körperverletzung
mit tödlichem Ausgang der Fall ist, die zwischen schwerer Kör-
perverletzung und den Tötungsverbrechen liegt. Bei den privile-
gierten und den als Sonderdelikte behandelten Tatbeständen
kann man nicht in gleicher Weise vorgehen, weil die Verträge
das strafrechtliche Mindestgewicht ihrer Auslieferungsreate als
etwas so wichtiges ansehen und jede Unterschreitung als rechts-
widrig empfinden würden!*,. Bauen sie doch grade ihre Vor-
stellung von der Reziprozität auf die kriminelle Bedeutung der
Auslieferungshandlung auf.
45. Einige praktische Anwendungen mögen diese Gedanken
erläutern.
Der Vertrag des Deutschen Reiches mit Belgien
von 1874 lässt in Art. 1 Ziffer 1 Auslieferungspflicht eintreten:
„wegen Totschlags, Mordes, Gift- „pour meurtre, assassinat, empoi-
mordes, Elternmordes und Kinder- |sonnement, parricide et infanticide.“
mordes.*
In der dem Reichstage zu dieser Konvention vorgelegten
Denkschrift wird im Hinblick auf die vorstehenden Auslieferungs-
fälle bemerkt!t’: „Bei Ziffer 1 wäre die besondere Erwähnung
1465 Diese Tendenz ist oft bemerkt worden; vgl. KnıtscHky S. 657;
BEAUCHET p. 97 et suiv. und andere.
146 Siehe die Entscheidung der Frage, ob „murder“ auch „manslaughter“
enthalte und die Begründung des Nein bei CLARKE p. 80.
147 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des deutschen