Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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seinem kriminellen Gewicht nach zwischen dem einfachen Tot- 
schlag und dem Morde liegt. Er muss aus diesem Grunde als 
mitgemeint gelten, um so mehr, als das belgische Recht einen 
entsprechenden Tatbestand nicht kennt und ihn unter seinen 
meurtre einbegreift. Es ist mithin beiderseitige Strafbarkeit ge- 
geben, und die Folgenschwere einer Auslieferung ist hier über- 
einstimmender als bei der Gegenüberstellung des einfachen Tot- 
schlags mit dem meurtre. Anders dagegen muss die Tötung 
auf Verlangen nach $ 216 des Strafgesetzbuchs beurteilt 
werden: „Ist jemand durch das ausdrückliche und ernstliche 
Verlangen. des Getöteten zur Tötung bestimmt worden, so ist auf 
(Gefängnis nicht unter 3 Jahren zu erkennen“. Sie ist nach 
deutschem Recht ein selbständiges Sonderdelikt, der Sache nach 
ein privilegierter Fall von Mord und von Totschlag, und mit 
einer (sefängnisstrafe von 5 Jahren im Maximum bedroht’’”. 
Das belgische Strafrecht kennt ein solches Verbrechen nicht; der 
Tatbestand müsste als meurtre angesehen werden und mit tra- 
vaux forces & perpetuite bezw. bei mildernden Umständen, die 
man wohl annehmen würde, mit mindestens 10 Jahren travaux 
forces bestraft werden (Art. 80). Hier ist die Beurteilung des 
Deliktes eine gar zu ungleiche, das Interesse an der Bestrafung 
der Tat, das Interesse an der Auslieferung ihres Täters ein zu 
verschiedenes, als dass die Reziprozität gewahrt erschiene. Und 
weil die Reziprozität nicht gewahrt ist, entfällt für beide Teile 
die Auslieferungspflicht, obschon der fragliche Tatbestand beider- 
seitiger Bestrafung unterliegt!®. 
46. Wie das ausgeführte Beispiel ergeben hat, braucht sich 
der eigentliche Vertragsinhalt mit dem Wortlaut der zwei oder 
drei Ausfertigungen der Konvention nicht zu decken. Er muss 
157 Siehe METTGENBERG, Der Versuch der Tötung auf Verlangen als 
Körperverletzung 1906/07. In der Zeitschrift für die gesamte Strafrechts- 
wissenschaft Bd. 27 S. 565 fg. 
168 Ebenso LAMMASCH, Auslieferungspflicht S. 172.
	        
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