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sichtig, hinderte sie jede Uebernahme dauernder Pflichten. Und
als die Verhältnisse dann doch übermächtig wurden und die
überstaatlichen Beziehungen notwendig eine Regelung erforder-
ten, da wirkte sie hemmend als „een angstvallig, bekrompen af-
meten van elkanders rechten en verplichtingen!’®. In der Ge-
schichte des Auslieferungsrechts zeigt sie diesen engherzigen
Charakter eigentlich nirgends mehr. Schon die Gewährung glei-
cher Rechtshilfe ohne Rücksicht auf die Häufigkeit der wechsel-
seitigen Inanspruchnahme hat etwas grosszügiges an sich. Im
Jahre 1892 lieferten die deutschen Staaten an Frankreich 8
Personen aus, erhielten aber ihrerseits 14 !’*; und im Jahre 1905
stellen sich die entsprechenden Zahlen sogar auf O0 gegen 13!°.
So trägt auch Frankreich kein Bedenken, mit Monako einen
Auslieferungsvertrag zu schliessen und ihn auf der Gegenseitig-
keit aufzubauen. So vereinbaren die Vereinigten Staaten von
Amerika eine auf der gleichen Basis angelegte Konvention mit
San Marino. Dann aber sind die Forderungen, welche die
Reziprozität auf den Punkten erhebt, in denen sich heute ihre
Bedeutung erschöpft, nicht derart schwer zu erfüllen oder so
selten erfüllt, dass sie ernsthaft hemmend auf die Ausbildung
der internationalen Rechtshilfebeziehungen wirken könnten. Man
braucht nur auf das belgische Auslieferungsrecht hinzuweisen.
Belgien ist gesetzlich an die Reziprozität gebunden, und doch
hat es unter allen Staaten die meisten Auslieferungsverträge ab-
geschlossen. Schon aus diesem Grunde kann das Reziprozitäts-
system nicht als sinnwidrigund ungeeignet hingestellt werden. Glaubt
man aber dennoch, Einschränkungen vornehmen und die bereits
vorhandenen Ausnahmen vermehren zu müssen, so ist man jeden-
173 TAUNAY p. 245 Anm. |.
17€ BEAUCHET p. 49.
175 Siehe die Statistik im Journal du droit international prive tome 34
(1907) p. 972.