Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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und dem zu Tonking und Tunis! Die Stellung des Staates zu seinen Kolo- 
nien bildet eben eine der grössten Schwierigkeiten, mit denen die Lehre 
FRICKERS zu kämpfen hat. Andere Anhänger derselben suchen sich bekannt- 
lich dadurch zu helfen, dass sie es hinsichtlich des Kolonialgebietes ein- 
fach bei der alten sachenrechtlichen Auffassung bewenden lassen. Nach 
der von mir vertretenen Ansicht ist zunächst zwischen Kolonien, die völker- 
rechtlich, und solchen, die staatsrechtlich mit dem Mutterlande verbunden 
sind, zu unterscheiden. Bei letzteren besteht zwischen dem Verhältnis des 
Staates zum Kolonialgebiete und dem Staatsgebiet im engeren Sinn nicht 
der geringste Unterschied. Hier wie dort hat der Staat nicht mehr und 
nicht weniger als die örtliche Kompetenz zur Vornahme von Hoheits- 
akten. Die Verschiedenheit in der Wirkungsweise der Staatsgewalt in den 
Kolonien und in der Heimat fällt hiebei ausschliesslich der personellen und 
der sachlichen Kompetenz anheim, indem die Bewohner der Kolonien in 
der Regel nicht Staatsbürger sind und die Aufgaben, die sich der Staat in 
den Kolonien stellt, naturgemäss andere sind, als in der Heimat. 
Der Verf. wendet sich sodann der staatlichen Herrschaft auf dem hohen 
Meere zu und spricht sich gegen die herrschende Lehre von der Staaten- 
losigkeit desselben und die damit eng zusammenhängende Theorie von den 
Schiffen als schwimmenden Bestandteilen des Staatsgebietes oder von der 
vorübergehenden Okkupation der durch ein Schiff berührten Meeresteile 
aus (S. 54 u. 55). In dieser Negation stimme ich mit ihm vollkommen 
überein. Fragt man aber, was an die Stelle dieser längst als unhaltbar 
erkannten Fiktionen zu setzen ist, so gehen unsere Ansichten weit ausein- 
ander. Der Verf. meint nämlich, wer die Staatsgewalt ausschliesslich als 
Personalherrschaft auffasst, der sehe diese Herrschaft eben auch auf den 
die nationale Flagge ihres Staates führenden Seeschiffen verwirklicht und 
das Schiff selbst erscheine ihm lediglich als das technische Mittel, durch 
welches die Ausübung der Staatsgewalt über die Schiffsbesatzung ermög- 
licht wird. Hierin liegt eine entschiedene Verwechslung von Personenherr- 
schaft mit Personalhoheit. Es ist, wie schon oben bemerkt, vollkommen 
richtig, dass der Staat sowohl zu Wasser als zu Lande nur eine Herrschaft 
über Personen ausübt; aber er übt diese Personenherrschaft entweder kraft 
der Personalhoheit (nämlich über seine Angehörigen) oder kraft der Gebiets- 
hoheit (nämlich über die auf seinem Gebiete weilenden Fremden) aus. Mit 
der Personalhoheit allein könnte das auf hoher See ausgeübte Imperium 
nur dann erklärt werden, wenn ein deutsches Schiff immer nur Deutsche, 
ein englisches Schiff immer nur Engländer an Bord hätte. Wie ist die 
Herrschaft des Flaggenstaates über die an Bord befindlichen Ausländer zu 
erklären? Diese entscheidende Frage scheint sich der Verf. gar nicht vor- 
gelegt zu haben. Oder sollte er eine Personalhoheit über Ausländer an- 
nehmen — eine Ungereimtheit, die nicht geringer wäre, als wenn man eine 
väterliche Gewalt über Neffen und Nichten oder gar nicht verwandte Per-
	        
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