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kapitalistische Wirtschaftsform das sittliche Verlangen nach einer
allgemeinen grösseren Beteiligung der Massen am Arbeitsge-
winn und nach einer Verwendung der reichen Erträge des Ka-
pitals auch im Interesse der unbegüterten Gesellschafts-
klassen erzeugt. Neben die Liebestätigkeit des Einzelnen dem
Einzelnen gegenüber ist die Herstellung von Einrichtungen aus
den Mitteln der Gesamtheit der Begüterten zu Gunsten der
Gesamtheit der Unbegüterten getreten. Dies sind die
sittlichen Triebfedern der Sozialpolitik. Neben ihnen wirken
Ziweckmässigkeitserwägungen, opportunistische Motive,
Diese haben eine Gliederung der Gesellschaft und Beziehungen
ihrer Klassen zu einander im Auge, wie sie den Interessen der
Gresamtheit am förderlichsten sind und richten sich auf die mög-
lichste Beseitigung der Unzufriedenheit der unteren Volksklassen
und der aus ihr entspringenden Anlässe zu Störungen der staat-
lichen und wirtschaftlichen Ordnung.
Die verschiedenen Beweggründe zur Förderung der Sozial-
politik können sowohl bei den Parteien als auch bei den Ein-
zelnen zusammentreffen und in gleicher oder verschiedener Stärke
zusammenwirken. Sie stehen in keinem Widerspruch zu einan-
der ünd hindern sich gegenseitig nicht, sondern unterstützen ein-
ander. Grundsätzlich stellt sich zu ihnen in einen (Tegensatz
nur der reine Individualismus. Er fordert positiv die
uneingeschränkte Freiheit für die Betätigung des Einzelnen und
für die Gewinnerzielung auf wirtschaftlichem Gebiete und nega-
tiv das Unterlassen der Förderung der Schwachen auf Kosten
der Starken. Er verwirft jede Einwirkung der Staatsgewalt auf
die Gestaltung der wirtschaftlichen und sozialen Verhältnisse und
will die staatliche Tätigkeit möglichst auf den Schutz nach Aussen
hin und auf die Aufrechterhaltung der Rechtsordnung im Innern
beschränken.
Auf manchen Gebieten unterscheiden sich die sozialpoliti-
schen und sozialistischen (kommunistischen) Bestrebungen von-