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Serbien folgt nach VESNITCH bei der Pflege seiner Aus-
lieferungsbeziehungen den sonst allgemein geltenden Grundsätzen.
Dementsprechend heisst es p. 96: la reciprocite forme la
base principale de ces rapports.“ Das gleiche haben Russ-
land und Norwegen amtlich zum Ausdruck gebracht, wie
MooRE, Treatise vol. I p. 801 bezw. 807 berichtet.
Auf einem abweichenden Standpunkt scheinen dagegen
Schweden und Dänemark zu stehen. In beiden Ländern
hat das Auswärtige Amt (nach MoorE, Treatise vol. I p. 808
und 719) erklärt, dass die Reziprozität keine unbedingte Vor-
aussetzung für die Auslieferungen darstelle. Ebenso betont
Rıvas p. 347 für Venezuela, dass man an die Reziprozität
bei der Handhabung der Auslieferung nicht gebunden sei. Das
allein ist freilich nicht massgebend; wichtiger wäre es, zu
wissen, ob man sich nicht dennoch an sie bindet, wie das sonst
allgemein auch dann der Fall ist, wenn kein Auslieferungsgesetz
die Regelung vorschreibt.
Es ist nun nicht zu verkennen, dass die angeführten Auto-
ren bei der Namhaftmachung des Gegenseitigkeitsgedankens viel-
fach nicht besonders an ihren Heimatstaat denken, sondern damit
einen im Auslieferungsrecht allenthalben geltenden Grundsatz
aussprechen wollen. Man hat aber dennoch die Berechtigung,
die einzelnen Aeusserungen für die jeweilige Heimat des Schrei-
bers als charakteristisch anzunehmen, weil an sich schon in der
Behauptung der allgemeinen Gültigkeit der Reziprozität die be-
sondere Wirksamkeit für das Auslieferungsrecht des einzelnen
Staates enthalten wäre, und weil kein Schriftsteller verfehlt haben
würde, die Anschauung des eigenen Landes in Gegensatz zu
anderwärtigen Gepflogenheiten zu stellen, wie das Rıvas für
Venezuela, JETTEL für Oesterreich getan hat.
Wie sich das deutsche Auslieferungsrecht der Rezipro-
zität gegenüber verhält, muss die vorliegende Arbeit selbst er-