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beobachtende Formen und Schranken festzusetzen, im übrigen
aber auf den jedesmaligen allgemeinen Zweck zu verweisen und
das im einzelnen Falle diesem allgemeinen Zwecke Entsprechende
zu fordern“ 1%,
Neben dem Gesetzesrecht kommt und gerade was unsere
Frage anbelangt, heute mindestens in gleichem Umfange Ge-
wohnheitsrecht zur Anwendung. Man kann sogar behaupten, dass
dem Gewohnheitsrecht auf öffentlich-rechtlichem Gebiete eine
grössere Bedeutung zukommt als auf zivilrechtlichem. Der Grund
dafür ist, dass man die Verwaltung, wie sie der Rechtsstaat vom
Polizeistaat übernommen hat, nicht plötzlich durch Rechtssätze
binden konnte. Der Polizeistaat war gewöhnt, solche bei seiner
Tätigkeit nicht zu beobachten. Er kannte nur Beamteninstruk-
tionen. Wenngleich man diese stillschweigend zum Teil als
Verwaltungsrechtssätze gelten liess!®, so war doch immerhin
ein weiter Spielraum, ein „ Vacuum“(STIER-SOMLO), eine (grosse)
„unbeabsichtigte Gesetzeslücke“ (AnscHÜTz) vorhanden, wo die
Behörden noch immer nach freiem Ermessen tätig wurden. Der
öffentlichen Verwaltung und damit auch der Polizei wurde aber
durch die Errichtung von Verfassungen ihre Tätigkeit nicht
etwa plötzlich unterbunden. „Soweit kein Rechtssatz_.da .ist,. wird
doch verwaltet und es ist auch gut“!!, Aber dem Gedanken
des Rechtssaates entspricht das nicht. -Er verlangt die rechtliche
Gebundenheit der Verwaltung in jeder Beziehung. Soweit für
eine vom Polizeistaate her bestehende Tätigkeit der Verwaltung
kein Rechtssatz da ist oder geschaffen wird, muss sich ein
solcher durch lange, gleichmässige Uebung, die zur Rechtsge-
18 Vgl. Göz a. a. O. S. 156; JEBENS, Verwaltungsrechtliche Aufsätze
1899 S. 60; RUÜMELINn, Gewohnheitsreeht. IHERINGs Jahrb. f. Dogm. Neue
Folge Bd. 15 8. 153 ff., S. 230.
18 OTTO MAYER a. a. O. Bd. 1 8. 120 ft.
110 OTTO MAYER a. a. O. Bd.1 S. 131, sagt dies allerdings in Beziehung
auf den Rechtsstaat. Vgl. auch WOLZENDORFF, Die Grenzen der Polizeı-
gewalt Bd. 18. ], 2.