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lichen Rechtssätze sind entsprechend ihrer rechtsgeschichtlichen
Entwicklung regelmässig gewohnheitsrechtliche, die sonstigen
Verwaltungsrechtssätze aber, der „Idee“ des modernen Staates
entsprechend, gesetzliche Normen.
Auf die ebengenannte „Idee* bezieht sich der Ausspruch
von OTTO MAYER: „Die Polizeigewalt im Königreich Sachsen
ist im deutschen Reiche so ziemlich am weitesten entfernt von
derjenigen Umgrenztheit, welche sie im Rechtsstaate haben
soll“ 2°°, Diese Behauptung würde aber nur dann eine Berechti-
gung haben, wenn man ausschliesslich geschriebene Rechtssätze
als dem Rechtsstaate entsprechend ansieht. Nach unseren frühe-
ren Ausführungen wird jedoch der rechtsstaatliche Standpunkt
auch dann gewahrt, wenn gewohnheitsrechtliche Normen die
Grundlage der behördlichen Tätigkeit bilden. Diese Ansicht
wird durch & 27 der sächsischen Verfassungsurkunde bestätigt,
wo bestimmt wird: „Die Freiheit der Personen und die Gebah-
rung mit dem Eigentume sind keiner Beschränkung unterworfen,
als welche Gesetz und Recht vorschreiben“. Unter „Recht“
kann nichts anderes verstanden werden, wie auch das sächsische
Oberverwaltungsgericht in konstanter Rechtssprechung annimmt,
als das ungeschriebene Recht, das öffentlich-rechtliche Gewohn-
heitsrecht?°%, Damit ist für die von uns vertretene Meinung,
dass Verhältnisse zwischen Staat und Untertanen sich gewohn-
heitsrechtlich regeln lassen, eine ausdrückliche Bestätigung im
positiven Rechte für Sachsen geschaffen.
Der Streit um das Polizeiverordnungs- und Polizeiverfügungs-
recht, wie er das preussische Polizeirecht beherrscht, besteht
in Sachsen nicht. Die Verwaltungsbehörden haben das Recht,
Polizeiverordnungen (Polizeiregulative) ebenso wie Polizeiverfü-
gungen zu erlassen ?°%. Denn nach 82 Ziff. 1 des Gesetzes A.
259 OrTo MAYER a. a. O. Bd. 1 S. 264 Anm. ®.
260 Vgl. v. D. Moser, Handw. ı. Sächs. Verw.rechts 1907 8. 595, 596.