— 369 —
allgemeinen, auch ohne geschriebenes Recht anzuerkennenden
Befugnis der Polizeigewalt, auf dem Gebiete der Ördnungs- und
Sittenpolizei überall da einzuschreiten, wo eine Gefährdung des
öffentlichen Interesses droht“. Dieses Recht wird nur durch
besondere gesetzliche Bestimmungen beschränkt. Das Strafge-
setzbuch findet nicht Anwendung, weil „im Wesentlichen nur
die Verhütung einer Störung der öffentlichen Ordnung“ in Frage
steht. Auch & 27 der Verf.-Urk. greift nicht Platz, da die
Worte „Gesetz und Recht“ nicht besagen, „dass hierunter ledig-
lich ein geschriebenes Recht zu verstehen sei“. (Urt. v. 20. Aug.
1904, Jahrb. Bd. 6, 8. 157 ff.)
Zwar hat die Polizei die Aufgabe, Beeinträchtigungen und
Gefährdungen des allgemeinen Wohles, zu denen auch strafbare
Handlungen gehören, tunlichst vorzubeugen, doch dürfen sich
die darauf abzielenden Massregeln nicht bloss auf die Möglich-
keit einer Gefährdung der öffentlichen Ordnung stützen, sondern
es müssen, von besonderen gesetzlichen Ermächtigungen abge-
sehen, Tatsachen vorhanden sein, welche eine derartige Annahme
genügend begründen. (Urt. v. 14. September 1904, Jahrb. Bd. 6,
S. 240 f.)
Die Polizei ist befugt, auch zur Ordnung des Ziehkinder-
wesens einzuschreiten. Zwar hat eine gesetzliche Regelung des-
selben in Sachsen nicht stattgefunden, aber die sächsische Praxis
hat das Ziehkinderwesen „von alters her“ als eine den Polizei-
behörden zufallende Aufgabe des öffentlichen Rechts behandelt.
Dieser „Uebung“ lässt sich deshalb nicht entgegentreten, weil
„die Ordnung des Gemeinwesens im Hinblicke auf die Gefahren,
die solchen Kindern namentlich in Grossstädten drohen“, eine
Ueberwachung des Ziehkinderwesens verlangt. Dazu sind die
Träger der Polizeigewalt, „denen die Abwehr der für das Ge-
meinwesen schädlichen Störungen begrifilich ja zufällt“ „nach
allgemeinen Grundsätzen“ berufen. — Die Polizeibehörde hat
aber nur „einstweilige Anordnungen“ zu erlassen. — Nach
Archiv für öffentliches Recht. XXV. 2. 24