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dass ein derartiges Zusammenleben „die Armut und sonstige
soziale Schäden in hohem Grade fördert und die staatliche Ord-
nung namentlich auch insofern gefährdet, als die aus den wilden
Ehen hervorgehenden, des festen Haltes der Familie entbehren-
den Kinder nicht nur häufig in ihrer Erziehung vernachlässigt
werden, sondern vielfach auch mit ihren Müttern in Not und
Elend geraten“. (Urt. v. 5. September 1906, Jahrb. Bd. 9,
S. 297 ff.)
Im Interesse der Gesunderhaltung des Volksganzen hat die
Polizei jede Störung der nächtlichen Ruhe, ohne Rücksicht dar-
auf, wen und wieviele Personen sie trifft, „gleichzeitig als Stö-
rung der guten Ordnung des Gemeinwesens“ zu verbieten. Es
kommt nicht darauf an, ob durch den Lärm die allgemeine
Nachtruhe oder nur die eines individuell begrenzten Personen-
kreises oder einer einzelnen Person beeinträchtigt wird. Es be-
steht der Anspruch des einzelnen, „während der Nachtzeit gegen
derartige Beeinträchtigungen geschützt zu sein, da sonst der
menschliche Körper allmählich diejenige Widerstandskraft ver-
lieren würde, die erforderlich ist, um tagsüber jene Störungen
ohne Gefahr für die Gesundheit ertragen zu können“. Es darf
sich nicht bloss um Belästigungen, sondern es muss sich um
Gefährdungen der Gesundheit Dritter handeln, wofür als Mass-
stab „das Empfinden eines normalen Durchschnittsmenschen“
gilt. Es handelt sich dabei um eine polizeiliche Tätigkeit „im
Interesse des allgemeinen Wohls“ und nicht um Geschäfte des
Zivilrichters. — Nach unserer Auffassung kann die Polizei auf
Grund des materiellen Gewohnheitsrechtes nur dann tätig wer-
den, wenn der Lärm in casu nach Art und Stärke eine Störung
der „öffentlichen“ Ordnung darstellt. Werden nur einzelne be-
stimmte Personen betroffen, dann würde die Polizei gemäss ihres
„Amtes“ eine einstweilige Hilfe, d. h. für die betreffende Nacht
zu gewähren haben. (Urt. v. 7. November 1906, Jahrb. Bd. 10,
S. 25 ff.) |