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ständigkeiten vom Fürsten ab. Es herrscht Fürsten- und Volks-
souveränität zugleich. Der Staat ist Fürsten- und Volksstaat,
Nach der in Deutschland herrschenden Staatsrechtstheorie ist
auch in derdeutschen Verfassungsmonarchie der Landesfürst noch
allein oberstes Staatsorgan, das Volk überhaupt kein Staatsorgan
und das Parlament ohne eigene Zuständigkeit und nur in einseitig
nicht entziehbarer und darum beschränkender Weise Hilfsorgan
des Fürsten bei Ausübung seiner Zuständigkeit.
Behauptet wird dies deswegen, weil dieselben Verfassungen
(z. B. die sächsische), in denen wir lesen, der Landtag ist das
Organ der Gesamtheit der Untertanen, berufen deren Rechte aus-
zuüben, mit wenigen Ausnahmen (darunter Preussen), alle und
zwar an der Spitze auch den Satz bringen: der König vereinigt
in sich alle Rechte der Staatsgewalt und übt sie unter den durch
die Verfassung festgesetzten Bestimmungen aus.
Zwischen den beiden Rechtssätzen besteht ein Widerspruch.
Nach dem einen übt das Parlament Rechte der Untertanen, nach
dem anderen Rechte des Königs. Die deutsche Staatsrechtslehre,
wie sie fast ausnahmslos vertreten wird, beseitigt den Widerspruch
dadurch, dass sie den ersten Satz für keinen Rechtssatz erklärt.
Das Volk sei rechtlich mit dem Staate identisch; der erste Satz
daher nur ein politischer Ausspruch. ®8ie kommt auf diese
Weise sogar dazu, das Vorhandensein nur eines Trägers der
Staatsgewalt selbst für die Staaten zu behaupten, wo der zweite
Rechtssatz in der Verfassung fehlt. Vor allem also auch in Preussen
soll das Prinzip der Einheit der obersten Staatsgewalt gelten.
Die ganze Theorie scheitert an der Unrichtigkeit ihrer Prö-
misse. Volk und Staat sind rechtlich nicht eins,
Im modernen Staate ist Subjekt der Staatsgewalt die Zu-
sammenfassung von Land, Leuten und Gewalthabern zu einem
einheitlichen Gesamtbegriffe, die Staatsidee. Der Staat ist Per-
sonifikation eines Land, Volk und Gewalthaber zusammenfas-
senden Begriffes.