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Der Staat und seine Aufgabe.
Von
Dr. phil., iur. et scient. polit. GEORG GROSCH.
Wir leben in einer Zeit, in der es treibt und drängt, in der
sich ein Wachstum regt, und zwar auf allen Gebieten, das uns
mit Bewunderung erfüllt. Zumal im sozialen und im Rechts-
leben spriesst es allenthalben. Nicht so, dass Altgewohntes im
neuen Gewand sich zeige, dass man darum mit Leichtigkeit dieses
Werdende unter alten Begriffen subsumieren könnte; nein, ein
völlig Neues ist es, was da vor uns entsteht.
Die Kehrseite ist ein gewisser Uebermut unserer Gegenwart,
eine Pietätlosigkeit gegen das, was aus der Vergangenheit her
noch besteht, dass man sich sogar zu dem Bestreben versteigt,
völlig mit diesem zu brechen. Mit souveräner Verachtung wird
auf das „Ewiggestrige“ herabgesehen, und in einem gewissen
Knabentrotz geht man gegen dieses vor. In der phantastischen
Hoffnung auf eine Zukunft, die das goldene Zeitalter für die
Menschheit bedeuten soll, will man alles Bestehende aufgeben,
in rechter Abenteurerstimmung; man macht nicht einmal Halt
vor der Institution, die dem Menschen erst ermöglicht, Mensch
zu sein, nämlich vorm Staate! und feindet damit auch die recht-
‘ Ich verweise dazu zunächst auf A. W. HrrFTer, Völkerrecht S. 130 f.;
J. KOHLER, Rechtsphilosophie $. 144: „Der Staat gewinnt seine Berechti-