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Nachdem einmal die Menschen durch die Not, die sie sich
einander zufügten, gezwungen sich zusammengeschlossen *’, hören
sie auf, blosse Naturwesen zu sein. Jetzt tritt die fundamentale
Gegensätzlichkeit ein zwischen Tier und Mensch. Dieser Unter-
schied besteht — rein empirisch genommen — darin, dass das
erstere sich der Natur und ihren Bedingungen nach Möglichkeit
anzupassen sucht, während der Mensch, gerade infolge seines ge-
sellschaftlichen Lebens, infolge seines Zusammenschlusses mit an-
dern Menschen — das ist das punctum saliens — die Natur zu
meistern vermag. Freilich nicht so, dass er die Naturgesetze
umstossen und andere an ihre Stelle setzen könnte; „wissen-
schaftlich festgestellte Gesetzmässigkeit der Natur zum Objekt
menschlicher Regelung machen und sie dadurch beeinflussen und
ändern zu wollen, wäre widersinnig. Es kann sich dem gegen-
über nur darum handeln, dass die Menschen die von ihnen ein-
gesehene Gesetzmässigkeit der Natur zur Verfolgung ihrer Zwecke
benutzen und danach werktätig schaffend sich erweisen. Durch
die blosse Betonung der technischen Möglichkeiten, sicher er-
kannte Naturgesetze zu menschlichen Zwecken gestaltend zu ver-
werten, wird die eigentümliche Aufgabe des sozialen Lebens der
Menschen mit nichten angegeben. Dessen Eigentümlichkeit liegt
vielmehr darin, dass die technische Benutzung, Verwertung und
S. 17 £., der S. 18 mit Recht spottet: „Von der einen Seite wird der Jurist
belehrt, dass der Staat weder Kopf noch Beine habe, daher keine Person
sein könne, von der andern die epochemachende Wahrheit enthüllt, dass
der Staat mit Bazillen, Farrenkräutern, Säugetieren, Vereinen und Genos-
senschaften eine grosse Kategorie wesensgleicher Individuen bilde.“
4 J. J. RousseAv, Extrait S. 356 f. (Oeuvres VII): Chacun voit que
toute societe se forme par les inter&ts communs. PROTAGORAS, der „Vater
der Staatsrechtswissenschaft* leitet den Zusammenschluss der Menschen
aus der Furcht vor den Tieren her; es ist bedauerlich, dass wir nur Frag-
mente seiner Schriften und die platonische Entstellung seiner Lehre be-
sitzen; denn was wir von ihm wissen, das zeigt, dass er richtigere An-
schauungen gehabt hat als ARISTOTELES sogar. Vgl. über ihn H. ReHM,
Staatsrechtswissensehaft S. 11 fi.