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Der Umstand, dass die Sippe — wie wir sie mit dem ger-
manischen Namen bezeichnen können — sich bis weit in das
staatliche Leben herein erhalten hat, ist nicht unwichtig für ihre
Beurteilung. Er ist einmal ein Beweis dafür, dass die Menschen
sich sehr lange dieser Gesellschaftsform bedient haben, weil sie
sich so überaus zäh erhalten hat; und weiter, dass die Menschen
auf die ursprüngliche Form zurückgriffen, wenn die höhere ver-
sagte, bezw. die ursprüngliche Institution bewahrten, wenn nur
wie eine dünne Kruste der Eroberer seine Vorschriften darüber
deckte®, Die niedere Form leistete ja schon dasselbe, wenn
auch unvollkommener, wie die entwickelte, die höhere. Die ur-
sprünglichen Gesellschaften sind nämlich schon „kleine Schutz-
und Trutzgenossenschaften, in welchen die Mitglieder sich gegen-
seitig Leben und Gut verbürgen. Alles Recht liegt hier in dem
gegenseitig gewährleisteten Frieden; wer nicht in diesen einge-
schlossen ist, ist gänzlich schutzlos und kann von jedem er-
schlagen werden“ ®”. Auch der Staat bietet — mutatis mutan-
dis — dasselbe; er ist nur — wie gesagt — die bisher höchste
Bildung der Vergesellschaftung der Menschen ®,
Man hat den Staat definiert als „eine auf einem abge-
grenzten Teil der Erdoberfläche sesshafte, mit einer herrschen-
den Gewalt versehene und durch sie zu einer Einheit zusammen-
66 Vgl. H. S. Maıne, Early law S. 234 ff.
6° A. H. Post, Anfänge S. 104.
es R. STAMMLER, Wirtschaft S. 104: „Der Staat bildet bloss eine Unter-
abteilung von möglichem sozialen Leben, eine Art von gesellschaftlichem
Dasein der Menschen, deren besondere Abgrenzung eine Einzelfrage ab-
gibt und bei der grundsätzlichen Bestimmung des Begriffs soziales
Leben dahingestellt bleiben kann.“ Eine höhere Form bahnt sich an in
dem Uebergang der bisherigen Völkerrechtsgemeinschaft zur Staatengesell-
schaft. Hier kann ich mich darauf beschränken, die Ansicht O. GIERKES
zu zitieren; er sagt, Genossenschaftsrecht I, S. 1: „Aus der höchsten, der
das Einzelleben nicht überdauernden Verbindung, der Ehe, wachsen Fa-
milien, Geschlechter, Stämme und Völkerschaften, Gemeinden, Staaten und
Staatenverbände in reichbaltiger Abstufung hervor, und für diese Entwick-