— 45 ° —
schen ganz wesentlich gefördert haben, dass die Lehre vom Staats-
vertrag — mit ihren beiden Zweigen, dem Gesellschafts- und dem
Herrschaftsvertrag —, die bis tief in die Neuzeit herein die
Geister beherrschte 8®, schon das Problem zu lösen versucht hatte.
Zumal „die von KANT vollzogene philosophische Revision sicherte
der naturrechtlichen Lehre vom Staatsvertrage noch auf längere
Zeit Leben und Fortbildung. Allein schon erstanden ihr in der
geschichtlichen Rechtswissenschaft und in einer bei allem Zwie-
spalt der Richtungen mehr und mehr wieder vom Ganzen und
von der Gemeinschaft ausgehenden Rechtsphilosophie unüber-
windliche Gegner, deren vereinten Angriffen sie endlich erlag.
Aber noch heute geniessen wir die unverlierbaren Errungen-
schaften, die sie inmitten von ihr verschuldeter Irrtümer und
Gefahren den Gedanken der Freiheit und des Rechts erkämpft
hat“ 8,
Kant ist aber noch einen Schritt weiter gegangen als seine
Vorgänger. Er hebt uns klar nicht nur das Motiv heraus, das
die Menschen zum Zusammenschluss bewogen hat, sondern zeichnet
auch die Folgerungen ganz richtig auf, die sich daraus ergeben
haben. Nachdem er ausgeführt hat, dass die Not, die die Men-
schen einander selber zufügen, sie veranlasste, in den Zustand
des Zwanges zu treten, weil also ihre Neigungen es bewirken,
dass sie in wilder Freiheit nicht lange neben einander bestehen
können, fährt er fort:
„In einem solchen Gehege, als bürgerliche Vereinigung ist,
tun eben dieselben Neigungen hernach die beste Wirkung: so
wie Bäume in einem Walde, eben dadurch, dass ein jeder dem
andern Luft und Sonne zu benehmen sucht, einander nötigen,
beides über sich zu suchen und dadurch einen schönen geraden
Wuchs bekommen; statt dass die, welche in Freiheit und von
88 Vgl. O. GIERKE, Johannes Althusius S. 77 ff, auch H. Reum, Staats-
lehre S. 226 f., S. 213 £.
8° OÖ. GIERKE, Johannes Althusius S. 122.