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letzterer die Meinung aller verbündeten Regierungen erklärend,
die Ansicht ausgesprochen haben, dass sich Abs. 1 nicht bloss
auf das Verhältnis der einzelnen Bundesstaaten zu einander be-
ziehen solle, sondern dass schon auf Grund des 1. Abs. Z. 1
und 2 jeder Reichsangehörige (ohne weiteres) an jedem Orte
ohne Unterschied Grundeigentum erwerben dürfe. Man kann
hiergegen auch nicht einwerfen, dass, weil die Z. 2 und 3 vom
Reichstage herrühren, die Ansicht der verbündeten Regierungen
belanglos sei; denn diese Ansicht fällt schon aus dem Grunde
entscheidend mit ins Gewicht, weil sie zeigt, in welchem Sinne
der Bundesrat die Z.2 und 3 akzeptiert und sanktioniert haben.
6) Es ist aus diesen Gründen erklärlich und nicht ohne Be-
deutung, dass bisher alle Kommentare des Freizügigkeitsgesetzes
und alle Staatsrechtslehrer, wenn auch meist ohne nähere Be-
gründung, die Ziffer 2 im ersten Absatz im Sinne einer absolu-
ten, vom Landesgesetzgeber nicht einschränkbaren Grunderwerbs-
freiheit auslegen: v. RÖNNE-ZOoRN, Preuss. Staatsr. Bd. II,
S. 175, 176, ERNST v. MEIER Art. Freizügigkeit in v. HoLTZEN-
DORFFs Rechtslexikon 3. Aufl. Bd. I, S. 9R., G. MEYER, Lehrb.
des deutschen Verwaltungsrechts Bd. I, S. 118, MEYER-An-
SCHÜTZ, Lehrb., 6. Aufl, S. 807, 808, v. SEYDEL, Komm. z.
Reichsverf., S. 534, Anm. 4 und in Hırras Ann. 1876, S. 161,
Anm, 2, v. RiEDEL, Reichs-Verfassung, S. 227, Anm. 9, BAZILLE
und KöstLin, Anm. 10 und 15 zum „Recht der Staatsangehö-
rigkeit“, Stuttgart 1902, endlich BrıE in HirTHs Annalen, 1909,
S. 366 f. (eine sehr sorgfältige und scharfsinnige Untersuchung).
7) Deshalb und vor allem, weil der Wortlaut in Ziffer 2
Abs. 1 eine solche Unterscheidung oder Einschränkung der
Grunderwerbsfreiheit nicht zulässt, wäre es nicht bloss vom
Rechtsstandpunkte, sondern m. E. auch aus politischen Gründen
verfehlt und unzulässig, wollte der Landesgesetzgeber durch Lan-
desgesetz den Erwerb von Grundeigentum etwa durch reichsan-
gehörige Polen oder Dänen deutscher Reichsangehörigkeit ein-