Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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teien“ behufs gemeinsamer „Disposition“. Es kommt einfach darauf an, 
ob die Behörde einen selbständigen Rechtstitel hat, um einzugreifen; vor 
allem polizeiliche Gründe können da in Betracht kommen. Das ver- 
zwickte „Interessententum“ des Staates ist ganz gleichgültig. 
Vor allem aber sei gesagt: das, was der Verf. hier entwickelt, das be- 
trifft unsere Frage gar nicht. Dass die Parteien über den Gegenstand 
“des Rechtsstreites verfügen können und dass die Verwaltungsbehörde eine 
selbständige Grundlage des Einschreitens immer noch benützen kann und 
muss, das rührt ja nicht an die Rechtskraft; das sind Dinge für sich. Die 
formelle Aufhebung der die Behörden bindenden Kraft des Urteils durch 
den Verzicht der Partei — das ist das prozessrechtliche Problem, dem der 
Verf. gänzlich fremd gegenüber steht, 
Wie sehr es ihm fremd ist, beweist er noch durch die Art, wie er das 
sächsische Gesetz über die Verwaltungsrechtspflege gegen mich anruft — 
für jeden, der die Entstehungsgeschichte und die Materialien des Gesetzes 
kennt, eine wenig aussichtsvolle Sache! Er führt den bedeutsamen $ 61 
des Gesetzes an, welcher besagt: „Das rechtskräftige Urteil bindet für den 
Streitgegenstand ausser den Parteien sowohl die Verwaltungsgerichte als 
auch die Verwaltungsbehörden und zwar diese mit der Wirkung, dass sie 
gegen den Willen der Parteien nichts verfügen können, was davon ab- 
weicht“. Daraus soll zweierlei „unzweifelhaft hervorgehen“ (S. 125): 
1) Dass zugelassen sind unter der Bedingung des „allseitigen Einver- 
ständnisses® Verfügungen, d. h. „Dispositionen“, durch welche (wie beim 
nachträglichen Erlass der erstrittenen Forderung) „unabhängig vom Urteil 
die rechtliche Situation geändert wird“, nicht aber zugelassen sind „neue 
Entscheidungen“. — Das Gesetz meint ganz im Gegenteil, dass es zulässig 
sein soll, auf Entschiedenes noch einmal zurückzukommen, wenn die Par- 
tei zustimmt, und denkt nicht daran, die sonst etwa mögliche selbständige 
Neubestimmung des Verhältnisses durch Polizeibefehl, Enteignung usw. von 
solcher Zustimmung abhängig zu machen. Damit würde es wenig Verständ- 
nis für das „wirkliche Leben“ beweisen. 
2) Dass „die Verwaltungsbehörden hier den Parteien zur Seite (vom 
Verf. gesperrt) und den Verwaltungsgerichten gegenüber gestellt werden‘ 
(S. 126). Damit soll das Gesetz bestätigen, dass „die Interessenten, zu 
denen hier der Natur der Sache nach auch die Verwaltung gehört, durch 
spätere Dispositionen über das Urteil hinwegschreiten, es durch Schaffung 
einer neuen Rechtslage gegenstandslos machen können“ (S. 127). Also wie- 
der der Typus des Erlasses der Schuldforderung durch Uebereinkommen 
gleichwertiger Parteien! — Das sächsische Gesetz hat aber ganz im Gegen- 
teil einen Verwaltungsakt im Auge, den die Behörde obrigkeitlich über die 
Partei erlässt. Der Verf. freilich ist bezüglich dieses zentralen Begriffes 
der Verwaltungsrechtswissenschaft noch sehr im Unklaren (vgl. S. 100 fl.). 
Wenn er sich aber der sächsischen Verwaltungsrechtspflege ernsthaft hätte
	        
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