Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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da die in Brüssel getane Vorarbeit jedenfalls in hohem Grade der Erzielung 
positiver Resultate durch die Haager Konferenz zugute gekommen ist und 
auch die Abweichungen des neuen vom älteren Texte oft ein scharfes Licht 
auf dessen Inhalt werfen. Diese eingehende Behandlung der Entstehungsge- 
schichte der Konventionsbestimmungen gibt der Darstellung geradezu den 
Wert einer selbständigen Schrift über die kriegsrechtlichen Arbeiten der 
beiden Konferenzen; sie scheint jedem, der sich mit diesen Fragen ein- 
gehender befasst hat, unentbehrlich, da der blosse Wortlaut der Konven- 
tion leicht zu Fehlschlüssen verleiten könnte. Die Formulierung der ein- 
zelnen Artikel ist gewöhnlich ein Kompromiss zwischen vielen und verschie- 
denartigen Auffassungen gewesen und die Kenntnis dessen, was verschwiegen 
und fallen gelassen worden ist, ist oft fast ebenso wichtig wie die Fest- 
stellung dessen, was ausdrücklich gesagt ist. Ein, allerdings mehr äusser- 
licher Nachteil einer solchen Behandlung des Stoffes ist der, dass eine 
rasche Uebersicht über das, was nach Ansicht des Verfassers endgültiger 
Sinn ist und die wirkliche Tragweite einer Bestimmung bildet, manchmal 
nicht ganz leicht ist. 
Es würde zu weit führen, die Analyse und Kritik der einzelnen Be- 
stimmungen hier zu erörtern, dagegen sei auf die u. E. durchaus zutreffende 
Grundanschauung des Verfassers hingewiesen, die auf den Konferenzen von 
1874 und 1899 auch die Vertreter der wichtigsten Militärmächte zur (Geltung 
gebracht haben. Darnach ist von dem Prinzip auszugehen, dass im Kriege 
an sich nur die militärische Gewalt gilt, d. h. der oberste Gesichtspunkt 
das militärische Interesse an der Niederzwingung des Gegners ist. Dieser, 
vielen humanitären Tendenzen der Gegenwart scheinbar widersprechende 
Grundsatz wird gerade dadurch noch mehr hervortreten, dass die Kriege 
immer weniger eine blosse Angelegenheit der Regierungen und einzelner 
Gesellschaftsklassen sind, sondern immer mehr nur wegen nationaler Lebens- 
fragen ausgekämpft werden. Der Krieg ist keine Mensur, sondern eine ele- 
mentare Kraftentfaltung, ein Akt rücksichtsloser Selbstbehauptung. Der 
Grundsatz der Prävalenz des militärischen Interesses ist nicht nur ein wich- 
tiges Interpretationsprinzip für das geltende Recht, sondern es ist auch 
richtunggebend de lege ferenda, da nur so praktisch durchführbare Regeln 
aufgestellt werden können. Wird sonach der Grotianische Satz: in bello 
omnia licere quae ad finem belli necessaria sunt festgehalten, so liegt in 
der Betonung des Militärischen eine sehr wesentliche Beschränkung, näm- 
lich die Beschränkung auf das militärisch Notwendige. Damit ist auch ein 
Massstab für die vom modernen Kriegsrecht anerkannte Ausschaltung des 
bürgerlichen Elements gegeben. Der schwierigste Punkt in dieser Frage, 
den ZORN besonders eingehend erörtert, ist die Grenze der Zulässigkeit einer 
Hineinziehung des militärisch nicht organisierten Volks in den Krieg. Wenn 
auch dem Verfasser zuzugeben ist, dass eine humane Kriegführung, nament- 
lich eine grundsätzliche Schonung der Zivilbevölkerung und des Privat
	        
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