Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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eigentums nur möglich, wenn eine scharfe und bestimmte Umgrenzung der 
kriegführenden Macht gegeben ist, so scheint ZORN doch der militärisch-poli- 
tischen wie ethischen Bedeutung des Volkskriegs bei einem Zusammenprall 
grosser und kleiner Staaten für die letztern nicht ganz gerecht zu werden. 
Ein weiterer vom Verfasser wiederholt mit Schärfe betonter Grundge- 
danke ist der, dass die durch das Kriegsrecht dem Kriegführenden, d. h. 
dessen an sich unbegrenzter Kriegsgewalt auferlegten Schranken nicht 
als eine konventionelle Konzession des Kriegsgegners zu betrachten sind, 
sondern auf der Selbstbindung des Kriegführenden beruhen. Das tritt 
namentlich deutlich bei dem Okkupationsrecht hervor; die Staaten räumen 
einander nicht für den Fall der Okkupierung ihres Gebietes, d. h. der Be- 
siegte dem Sieger Herrschaftsrechte ein, sondern sie verpflichten sich ihr 
de facto-Imperium auf nominell fremdem Gebiet, das wie die normale 
Staatsgewalt souverän, also prinzipiell schrankenlos ist, nach gewissen Rich- 
tungen hin nicht geltend zu machen. Dagegen können wir dem Verfasser 
nicht zustimmen, wenn er die Form, in welcher die Konvention redigiert 
ist (eigentlicher Konventionstext und Reglement) als Anerkennung _ der- 
jenigen Theorie ausdeutet, nach der das Völkerrecht grundsätzlich und 
ausschliesslich in der Form des staatlichen Rechts zu Recht wird. Unter 
welchen Voraussetzungen ein internationaler Rechtssatz Landesrecht wird, 
ist eine rein staatsrechtliche Frage; dass aber die Ratifikation eines Kon- 
ferenzbeschlusses, bezw. eine Konvention den betreffenden Staat bindet, für 
ihn Rechte und Pflichten schafft, unabhängig von deren Umwandlung in 
Landesrecht, dürfte doch wohl unbestreitbar sein. Gleichgültig ist, ob eine 
internationale Vereinbarung eine Trennung macht zwischen Normen, die 
an die Staaten als solche und Normen, die materiell an Einzelpersonen ge- 
richtet sind, oder ob der ganze Vertrag äusserlich einheitlich gestaltet ist. 
Das hängt vom Inhalt der Normen ab und die Praxis ist eine durchaus 
schwankende. So war esz.B. die Absicht der deutschen Delegation auf der 
Il. Friedenskonferenz, die Normen über die Rechte und Pflichten neutraler 
Staatsangehöriger im Gebiete der Kriegführenden als Schlusskapitel dem 
Landkriegsreglement anzuhängen, während diese Sätze, soweit sie beibe- 
halten wurden, nun in den Vertrag über die Neutralität übergegangen sind, 
in welchem Normen vereinigt sind, von denen die einen sich an die Staaten, 
andere materiell aber an die einzelnen neutralen Personen richten. Doch 
berühren solche theoretischen Erörterungen über das Wesen des Völker- 
rechts, denen praktisch keine grosse Bedeutung zukommt, die Ausführungen 
über die positiven Rechtssätze nicht. 
Die Schrift Zorxs über das Landkriegsrecht von 1899 gehört unstreitig 
zum besten, was über diese Materie, nicht nur in der deutschen Literatur. 
geschrieben ist. Juristische Schärfe und Verständnis für die militärischen 
Gesichtspunkte zeichnen die Darstellung in gleicher Weise aus. Es darf 
wohl die Hoffnung ausgesprochen werden, dass eine baldige zweite Auflage
	        
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