— 509 —
eigentums nur möglich, wenn eine scharfe und bestimmte Umgrenzung der
kriegführenden Macht gegeben ist, so scheint ZORN doch der militärisch-poli-
tischen wie ethischen Bedeutung des Volkskriegs bei einem Zusammenprall
grosser und kleiner Staaten für die letztern nicht ganz gerecht zu werden.
Ein weiterer vom Verfasser wiederholt mit Schärfe betonter Grundge-
danke ist der, dass die durch das Kriegsrecht dem Kriegführenden, d. h.
dessen an sich unbegrenzter Kriegsgewalt auferlegten Schranken nicht
als eine konventionelle Konzession des Kriegsgegners zu betrachten sind,
sondern auf der Selbstbindung des Kriegführenden beruhen. Das tritt
namentlich deutlich bei dem Okkupationsrecht hervor; die Staaten räumen
einander nicht für den Fall der Okkupierung ihres Gebietes, d. h. der Be-
siegte dem Sieger Herrschaftsrechte ein, sondern sie verpflichten sich ihr
de facto-Imperium auf nominell fremdem Gebiet, das wie die normale
Staatsgewalt souverän, also prinzipiell schrankenlos ist, nach gewissen Rich-
tungen hin nicht geltend zu machen. Dagegen können wir dem Verfasser
nicht zustimmen, wenn er die Form, in welcher die Konvention redigiert
ist (eigentlicher Konventionstext und Reglement) als Anerkennung _ der-
jenigen Theorie ausdeutet, nach der das Völkerrecht grundsätzlich und
ausschliesslich in der Form des staatlichen Rechts zu Recht wird. Unter
welchen Voraussetzungen ein internationaler Rechtssatz Landesrecht wird,
ist eine rein staatsrechtliche Frage; dass aber die Ratifikation eines Kon-
ferenzbeschlusses, bezw. eine Konvention den betreffenden Staat bindet, für
ihn Rechte und Pflichten schafft, unabhängig von deren Umwandlung in
Landesrecht, dürfte doch wohl unbestreitbar sein. Gleichgültig ist, ob eine
internationale Vereinbarung eine Trennung macht zwischen Normen, die
an die Staaten als solche und Normen, die materiell an Einzelpersonen ge-
richtet sind, oder ob der ganze Vertrag äusserlich einheitlich gestaltet ist.
Das hängt vom Inhalt der Normen ab und die Praxis ist eine durchaus
schwankende. So war esz.B. die Absicht der deutschen Delegation auf der
Il. Friedenskonferenz, die Normen über die Rechte und Pflichten neutraler
Staatsangehöriger im Gebiete der Kriegführenden als Schlusskapitel dem
Landkriegsreglement anzuhängen, während diese Sätze, soweit sie beibe-
halten wurden, nun in den Vertrag über die Neutralität übergegangen sind,
in welchem Normen vereinigt sind, von denen die einen sich an die Staaten,
andere materiell aber an die einzelnen neutralen Personen richten. Doch
berühren solche theoretischen Erörterungen über das Wesen des Völker-
rechts, denen praktisch keine grosse Bedeutung zukommt, die Ausführungen
über die positiven Rechtssätze nicht.
Die Schrift Zorxs über das Landkriegsrecht von 1899 gehört unstreitig
zum besten, was über diese Materie, nicht nur in der deutschen Literatur.
geschrieben ist. Juristische Schärfe und Verständnis für die militärischen
Gesichtspunkte zeichnen die Darstellung in gleicher Weise aus. Es darf
wohl die Hoffnung ausgesprochen werden, dass eine baldige zweite Auflage