Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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letzten Akte vom Stadtvogt erfährt — ein Testament zu Gunsten der Kinder 
des Badearztes gemacht mit der Massgabe, dass letzterer und seine Frau 
an der Erbschaft die lebenslängliche Nutzniessung haben sollen. Ausserdem 
hat der Gerbermeister aber einen bestimmten Betrag seines Vermögens 
dazu verwendet, eine Stiftung für alte bedürftige Handwerker zu begründen. 
Für das im Testament dem Badearzt und seiner Familie verschriebene Geld 
endlich hat er Aktien der Badeanstalt gekauft. Die Drohung des Gerber- 
meisters nun, diese Aktien unter Anullierung der letztwilligen Verfügung 
der Stiftung zu überweisen, wird vom Dichter in ausserordentlich geschickter 
Weise dazu verwertet, die an den Badearzt herantretende Versuchung, aus 
Rücksicht auf sich und seine Familie sich selber untreu zu werden, in dra- 
matisch wirksamer Weise zu steigern und seinen spätern Sieg zu einem 
um so eiudrucksvolleren zu gestalten. 
Die Begriffe der Kündigung und Entlassung sowie der wirt- 
schaftlichen Boykottung endlich werden im letzten Akt gleichfalls 
mehrfach dazu benutzt, den Opfermut und die Ueberzeugungstreue des 
Badearztes in lebhaften Farben zu schildern. Obschon der Familie die 
Wohnung, der Tochter ihre Stelle als Lehrerin und dem Freund und Be- 
schützer des Hauses, Kapitän Horster, seine Stellung als Schiffskapitän der 
„öffentlichen Meinung“ zu Liebe gekündigt werden; obschon ihm selbst 
durch seinen Bruder, den Stadtvogt, gar die sofortige Entlassung aus den 
Diensten des Bades überbracht und ihm gleichzeitig mitgeteilt wird, dass 
der Hausbesitzerverein ihn auch für die Privatpraxis auf die schwarze 
Liste gesetzt hat, bleibt Dr. Stockmann doch bei dem einmal gefassten 
Vorsatz, sich weder „von der öffentlichen Meinung‘ noch von der „kompakten 
Majorität“ und ähnlichen „Teufeleien“ aus dem Felde schlagen zu lassen 
und den noch unentwickelten Köpfen begreiflich machen zu wollen, „dass 
die Parteiprogramme alle jungen, lebensfähigen Wahrheiten erdrosseln.‘“ 
Wir aber wollen, gerade weil es unzweifelhaft richtig ist, dass einer 
allein — mag er noch so sehr im Rechte sein! — die kompakte Majorität, 
wenn sie im Bunde mit der herrschenden Bureaukratie auftritt, niemals 
äusserlich überwinden kann, auch der juristisch-technischen Betrachtnng 
des „Volksfeind“ die Lehre entnehmen, dass aufrechte Männer nötig 
sind, welche durch ihren Zusammenschluss der überwuchernden ver- 
bündeten Bureaukratie und Parteiherrschaft die Giftzähne ausbrechen. Mag 
der einzelne allein für sich im Kampf gegen diese beiden schlimmsten 
Schädlinge des heutigen öffentlichen Lebens gar leicht erlahmen und in 
die Gefahr geraten, von der öffentlichen Meinung und der kompakten Majo- 
rität als Ketzer verschrieen zu werden: Manche morsche Mauer, an welcher 
der einzelne allein sich den Kopf einstösst, manches Vorurteil des Polizei- 
staats und der Parteischablone, wird dem gleichzeitigen Ansturm 
vieler Einzelnen weichen und eine Bresche schaffen für unsern Aut- 
schwung vom unfreien zum freien Volk!
	        
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