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Von solchen besonderen Gründen abgesehen, ist es aber in
der deutschen Praxis seit länger Regel, dass internationale Ver-
einbarungen in den beteiligten Landessprachen beurkundet wer-
den5'!. Gilt das schon allgemein, so konnte man auf dem Sonder-
gebiet der Auslieferungsverträge noch weniger die Tradition für
sich anführen. Dass man hier den veralteten Modus in einer
Konvention für zwei nicht französisch sprechende Staaten zur
Anwendung brachte, beweist ein geringes Verständnis für das
Wesen von Vereinbarungen über Rechtshilfe.e Wenn auch zu-
weilen Verträge der Einzelstaaten, wie der preussisch-
niederländische vom 17. November 1850 und der preus-
sisch-spanische vom 5. Januar 1860, lediglich in französı-
gendermassen lautet: „Der gegenwärtige Vertrag ist in deutscher, siame-
sischer und englischer Sprache vierfach ausgefertigt worden. Alle
diese Ausfertigungen haben denselben Sinn und dieselbe Bedeutung, aber
der englische Text wird als Urtext des Vertrages angesehen werden, der-
gestalt, dass, wenn eine verschiedene Auslegung des deutschen und des
siamesischen Textes irgendwo stattfinden sollte die englische Ausfertigung
entscheidend sein soll“, Dieser Vertrag gilt nicht für das Deutsche Reich.
Die Schlussbestimmung in der „Bekanntmachung betreffend die durch das
Gesetz vom 22. Mai 1881 über die Küstenfrachtfahrt nicht berührten ver-
tragsmässigen Bestimmungen“ vom 29. Dezember 1881 (Reichsgesetzblatt
1881 S. 276) kann nicht dahin aufgefasst werden, dass der Vertrag für das
Reich Geltung erhalten solle. Nicht richtig daher v. Lıszt, Völkerrecht
S. 141. Vergl. auch Art. XII des Handels-, Freundschafts- und Schiffahrts-
vertrages des Deutschen Reiches mit Korea vom 26. November
1883 (Reichsgesetzblatt 1884 S. 221). — Allgemein siehe zu den Behaup-
tungen des Textes v. MARTENS, Völkerrecht Bd. 1 S. 412, der viel zu viel
verallgemeinert; einschränkender schon RIVIER, Principes Bd. 2 p. 19, 64;
richtig v. LISZT, Völkerrecht S. 172. — England pflegt stets auf seiner
Sprache zu bestehen, respektiert aber gleichzeitig fremde Idiome zuweilen
selbst dann, wenn man sie in keinem Sinne zu den Kultursprachen rechnen
kann. Ein interessantes Bild bietet in dieser Beziehung der Appendix bei
ÜLARKE; siehe z. B. den Freundschaftsvertrag mit Tonga vom 29. No-
vember 1879 (p. 465) oder den Auslieferungsvertrag mit Serbien vom 6.
Dezember bezw. 23. November 1900 (p. 405).
51 Das beweist insbesondere die überwiegende Zahl der Handels- und
Konsularverträge des Deutschen Reiches aus den letzten Jahrzehnten.