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hier — wollte man sie nicht darin erblicken, dass beide Teile
sich die Handhabung der Konvention in gleicher Weise erschwert
haben — äusserlich nur insofern erkennbar, als die Kontrahen-
ten sich den gleichen Bestimmungen unterworfen haben. Wie
sich die fremden Begriffe in der fremden Sprache aber dem
heimischen Rechte angliedern, ob auch in dieser tieferen Be-
ziehung Gegenseitigkeit vermutet werden kann, sind Fragen, die
sich bei diesen Verträgen im Gegensatz zu den anderen aus der
Redaktionsweise nicht beantworten lassen.
8 3. Die Materialien zu den Auslieferungsverträgen.
17. Der Eindruck, den die doppelte Beurkundung der Mehr- '
zahl der Auslieferungsverträge macht, wird verstärkt und als
beabsichtigt erkannt, wenn man die Motive der Unterhänd-
ler hinzunimmt. Deutscherseits sind sie in den Denkschriften
mitgeteilt, mit denen die Verträge dem Reichstag zur Ge-
nehmigung vorgelegt wurden. In ihnen finden sich mehrfach
Angaben, die erkennen lassen, dass den Redaktoren die Rezi-
prozität als das selbstverständlich massgebende Prinzip galt.
Das ist namentlich zum Ausdruck gekommen bei der Autstel-
lung der Verbrechenskataloge, in denen die auslieferungs-
pflichtigen Reate zusammengefasst werden. Hier bedurfte man
zumal eines führenden prinzipiellen Gedankens, und man fand
ihn in der Gegenseitigkeit. Wenn man sich aber auch beson-
ders im materiellen Auslieferungsrecht der Invizinität als der
bestimmenden Regel bewusst wurde, und die Motive sich in die-
sem Abschnitt mit Vorliebe auf sie berufen, so darf man doch‘
mit Grund annehmen, dass ihre Geltung — auch nach der Mei-
nung der Unterhändler selbst — sich nicht auf ihn beschränkt.
Denn einmal ist nirgends davon die Rede, dass man es in der
Reziprozität mit einem Prinzip zu tun habe, das nur das mate-
rielle Auslieferungsrecht beherrsche, und dann geschieht seine Nam-
haftmachung mit einer solchen Selbstverständlichkeit, dass man