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in Kraft, da eine reichsgesetzliche Regelung über Verhängung
des „Kriegszustands“ bis jetzt nicht erfolgt ist. Die Unzuläng-
lichkeit der zur Zeit geltenden Gesetze und die Notwendigkeit
einer den Interessen eines Rechtsstaats und den Erfordernissen
der Neuzeit entsprechenden Gestaltung und Regelung ist wohl
schon mehrfach anerkannt worden. Dagegen fehlte es bis jetzt
an Hinweisen, in welcher Richtung sich etwa eine Reform zu
bewegen hätte. Die nachstehenden Ausführungen wollen diesen
Hinweis versuchen. Man kann vielleicht auf den Mangel eines
augenblicklichen Bedürfnisses zur Behandlung dieses Themas ver-
weisen in dem beruhigten Gefühle der Sicherheit vor aus- und
inländischen Gegnern. Dass die Notwendigkeit eines starken
Staatschutzes bei kriegerischen, politischen oder elementaren Er-
eignissen oft recht unvermutet sich ergeben kann, hat aber die neu-
zeitliche Geschichte durch mehrfache Beispiele bewiesen. Allein
hiervon abgesehen, würde die Schaffung eines Reichsgesetzes über
den Kriegs-(Belagerungs-)Zustand einen im Interesse der Rechts-
sicherheit zu begrüssenden Fortschritt auf dem Gebiete der
Rechtseinheit bilden.
Der gegenwärtige Rechtszustand ist folgender: für die deut-
schen Bundesstaaten — mit Ausnahme Bayerns — gilt das preuss.
Gesetz vom 4. Juni 1851, für das rechtsrheinische Bayern das
bayer. Strafgesetzbuch von 1813, Teil II, Artikel 441—456; für
Elsass-Lothringen wurde über die vorläufige Erklärung des Kriegs-
zustands das Reichsgesetz vom 30. Mai 1892 (RGBl. S. 667)
erlassen. Für die Pfalz mangeln bestimmte gesetzliche Normen.
1. Preussisches Gesetz vom 4. 6. 1851
(Ges.-S. S. 451) !.
Das Gesetz sieht die Verhängung des Belagerungszustands
für Kriegs- und Friedenszeiten vor. Im ersteren Falle kann
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! WEIGEL „Zuständigkeitsgrenzen‘“ S. 299; STENGLEIN „Die strafrecht!.
Nebengesetze des Deutschen Reichs“, 1902, 3. Aufl. S. 453 mit umfangreicher