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Gesetzgebung beider vertragenden Teile mit Strafe bedroht ist.
Die Aufnahme einer allgemeinen Klausel der Art schien nicht
empfehlenswert, weil eine solche Klausel, wo die Begriffsbestim-
mungen sich in beiden Gesetzgebungen decken, überflüssig ist
und wo sie von einander abweichen, leicht Veranlassung zu
Unklarheit und Weiterungen bei der praktischen Ausführung
geben kann. Aus ähnlichen Gründen ist auch davon abge-
gesehen worden, nach dem Vorgange des bayrisch-bel-
gischen Vertrages bei den einzelnen strafbaren Hand-
lungen die korrespondierenden Paragraphen der beiderseitigen
Strafgesetze anzuführen“. Diese Ausführungen erhalten dadurch
eine über den vorliegenden belgischen Vertrag hinausreichende
Bedeutung, dass die Motive zu den Auslieferungskonventionen
der folgenden Jahre stets auf die Redaktion des belgischen
Vertrages als ihr Muster Bezug nehmen. Sie pflegen gradezu
nur die Abweichungen von dem Vorbild zu begründen. So ist
man berechtigt die hier niedergelegten Anschauungen auch
für die anderen Vereinbarungen als massgebend anzunehmen.
19. Erst mit dem deutsch-niederländischen
Vertrag von 1896 beginnt der Versuch einer erneuten, selb-
ständigen Lösung auch dieser elementaren Fragen. Die Denk-
schrift, die ihm beigegeben wurde, ist nicht nur die ausführ-
lichste, sondern auch die gründlichste von allen. Hier wäre
folgendes aus ihr zu entnehmen ®: „Die Auslieferung der...
aufgeführten Straftaten soll, wie am Schlusse ... . bestimmt wird,
nur stattfinden, „„sofern die betreffende Handlung zugleich nach
der Gesetzgebung des ersuchenden Teiles als eine der ... auf-
gezählten Straftaten anzusehen ist“. Es bildet hiernach
eine allgemeine Voraussetzung jeder Auslieferung, dass die sie
begründende strafbare Handlung sich nach der Gesetzgebung
56 Stenographische Berichte über die Verhandlungen des deutschen
Reichstags, 9. Legislaturperiode, IV. Session 1895/97, Anlagenband 6 Ak-
tenstück Nr. 698 8. 3677/8.