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herrn und mit dem Reichskriegswesen steht, sondern lediglich
staatspolizeilicher und strafprozessualer Natur ist. Daher ist der
Ausnahmezustand im Frieden in Artikel 68 d. RVerf. nicht am
richtigen Platze, sondern gehört wie in Oesterreich und in Bayern
in die Strafprozessordnung oder, wie in Italien und Frankreich,
in das Gebiet der Verwaltung. In England wird der rein mili-
tärische Ausnahmezustand im Kriege für ausreichend erachtet
und die Unterdrückung von Angriffen auf die bürgerliche Sicher-
heit und Ordnung der Polizei und den ordentlichen Gerichten
überlassen. Auf dem gegenteiligen Standpunkte steht die baye-
rische Gesetzgebung, die keinen Ausnahmezustand aus militäri-
schen Interessen (Kriegsfall) kennt, sondern lediglich die Zu-
widerhandlung gegen bestimmte Strafrechtsnormen mit verschärften
Gegenmassregeln bedroht. Auch der Uebergang der vollziehen-
den Gewalt (Verwaltung) auf die Militärbehörden steht mit dem
Kriegswesen in keinem Zusammenhange, ebensowenig wie die
Bildung der Ausnahmegerichte, an denen — in Bayern sogar in
der Mehrzahl — auch Zivilrichter teilnehmen und deren Vor-
sitz ein Richterbeamter führt. Die Urteilsbestätigung durch den
Militärbefehlshaber (8 13 Ziff. 6 des Ges. v. 1851) ist nicht so-
wohl ein Ausfluss der militärdienstlichen Stellung desselben, als
eines ihm übertragenen Begnadigungsrechts, also einer auf dem
Gebiete der Justizverwaltung gelegenen Befugnis. Dem bayeri-
schen Gesetze ist sogar Urteils-Bestätigung und Begnadigung
fremd.
Die Zuständigkeit zur Verhängung des Ausnahmezustands
wäre vielleicht dahin zu regeln, dass dieses Recht dem Kaiser
als Bundesfeldberrn im Kriegsfalle unbeschränkt, im Frieden
wegen Bedrohung oder Störung der öffentlichen Sicherheit und
Ordnung hinsichtlich aller Bundesstaaten mit Ausnahme Bayerns
zusteht. Eine Bezugnahme auf Art. III $5 VI des Bündnis-
vertrags würde wohl nicht ausreichen zur Begründung einer Son-
derstellung Bayerns, da hier die künftige Zuständigkeitsfrage