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ist, von der herrschenden Meinung angenommen, dass in einem
Bundesstaat keine Teilung der Souveränität stattfindet, sondern
dass diese ausschliesslich dem Bunde, dem Reiche verbleibt '?.
Trotzdem bleiben die Gliedstaaten vollkommene Staaten ihrem
Wesen nach, da die Souveränität nicht als notwendiges Erfor-
dernis für den Begriff des Staats betrachtet wird ?°. Das äussert
sich auch in der Teilung der Kompetenzen zwischen Reich und
Gliedstaaten, und diese ist es, die für uns von Bedeutung wird.
Es ist JELLINEKS Verdienst, in seinem „System der sub-
jektiven öffentlichen Rechte“ die Rechtsbeziehungen, die sich
zwischen Individuum und Staat herausbilden können, ihrem vollen
Umfange nach erfasst und in ein scharfgegliedertes System ge-
bracht zu haben. In richtiger Verfolgung des einmal aufgestellten
Prinzips hat er dann die Untersuchung für die subjektiven öffent-
lichen Rechte des Staates und der Verbände weitergeführt. Da-
bei ergab sich naturgemäss auch eine Beschäftigung mit den
Rechten der Mitglieder von Staatenverbindungen, von denen er
besonders den Bundesstaat einer eingehenden Untersuchung unter-
zog und so die möglichen Rechtsbeziehungen der Gliedstaaten
zum Reiche systematisch feststellte?!. Dieses rein konstruktive
System auf den konkreten Fall der deutschen Reichsverfassung
19 So LABAND |], 54 fl.; JELLINER, StV. 36 fi.; StLehre 704 ff.; BRIE,
StV. 112 fi.; MEYER, Einl. 24 f.; Anscaürz 470 f.; HÄneı, StR. I, 802,
v. Heup, Die Verfassung des deutschen Reiches vom staatsrechtlichen Stand-
punkt aus betrachtet, 22 #.; Zorn I, 70; Le Fur, Etat federal, 590 ff.,
461 a. 2; REHM, Staatslehre 105. Anderer Ansicht nur: RÜMELIN, Z. f.
ges. Staatswissenschaft Bd. 39, 198 f.; MEENTZEN, Erlanger Diss. 1893, 13;
SPALINGER, Rostocker Diss. 1900, 7, 11, konstruiert daneben eine „Halb-
souveränität“ der Gliedstaaten.
20 So Meyer, Erört. 2 f.; StR. 7, 48; Brıs StV. 113, in GRÜNHUTS
Zeitschrift 1884, 94; LaBanD I, 60; JELLINEK, StLehre 442; REHM, StL.
109, 142 und A. m.; a. A. ZoRN I, 84; HÄneı, Stud. I, 63 fl. und StR. I,
801 f.; GIERKE a. a. O. 1167; eine eigenartige Anschauung: Eliminierung
des Souveränitätsbegriffs aus der Dogmatik des Staatsrechts bei PREUSS,
Gemeinde, Staat, Reich als Gebietskörperschaften 123 fl.
2! Enzykl. II, 519.
Archiv für öffentliches Recht. XXV. 4. 38