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nachweisen lässt, dass seine Abänderung an die Zustimmung des
berechtigten Staates gebunden ist.
Dem ersten Erfordernis entsprechen nun sämtliche von uns
oben zusammengestellten materiellen Begünstigungen. Reservat-
rechte sind sie aber nur, wenn sie auch dem zweiten Punkte
entsprechen. Denn von einem allgemeinen Rechtssatz der er-
schwerten Aufhebbarkeit aller einfachen besonderen Rechte kann
nicht die Rede sein. Die „Reservatklausel“ kann nun in ver-
schiedener Weise gegeben sein. Ist z. B. durch ein einfaches Ge-
setz einem Gliedstaat ein Recht verliehen, das als Reservatrecht
gelten soll, so wird in dem betreffenden Gesetz eine Feststellung
dieser Art. erfolgen müssen.
Derlei Untersuchungen kommen jedoch für uns nicht in Be-
tracht, weil es sich für uns nur darum handelt, den Begriff des
Reservatrechts im Sinne der Verfassung des Deutschen Reiches
festzustellen. Damit beschränkt sich unsere weitere Untersuchung
auf solche Rechte, die formell verfassungsmässig geschützt sind,
denn nur diese können als verfassungsmässige Reservatrechte an-
gesehen werden.
Eine derartige Bestimmung kann sich aber nur in der Ver-
fassung finden, daher ist zu untersuchen, was als Verfassung des
Deutschen Reiches anzusehen ist. Dazu ist es notwendig, ganz
kurz auf die Entstehung der heutigen Verfassungsurkunde ein-
zugehen.
Die Grundlagen der Verfassung sind zu sehen in den Ver-
trägen, die der Norddeutsche Bund einerseits und die süddeutschen
Staaten andererseits im November 1870 in Versailles und Berlin
abschlossen. Die Unterlage für die Verhandlungen bildete die
Norddeutsche Bundesverfassung, die durch den Eintritt der süd-
deutschen Staaten in den Bund mannigfache Veränderungen er-
fuhr. Die in den Verträgen vereinbarte Verfassung nun war nach
ausdrücklicher Bestimmung der Verträge vom 1. Januar 1871
Archiv für öffentliches Recht. XXV. 4. 40