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scheiden ist, ist die: Was sind „Vorschriften der Reichsver-
fassung“.
Es kann nämlich zweifelhaft sein, ob die in Frage stehende
Bestimmung ausschliesslich die Verfassungsurkunde oder den
Verfassungszustand überhaupt gemeint hat. Die meisten Schrift-
steller sind für eine nachdrückliche Beschränkung des Anwendungs-
gebiets eingetreten !”°. Die entscheidenden Argumente für diese
Auffassung führt WıesE!”! an, der insbesondere auf die Thron-
rede DELBRÜCKs!”? vom 24. November 1870 hinweist, in der
deutlich „Verfassung“ gleichbedeutend mit „Verfassungsurkunde“
gebraucht ist. Mithin ergibt sich, dass sich die Bestimmung des
a. 78 II allein auf die Reservatrechte beziehen kann, die in der
Verfassungsurkunde selbst begründet sind. Die übrigen ver-
fassungsmässigen Reservatrechte bedürfen also einer beson-
deren Klausel.
Die Verfassungsurkunde hat nun aber in mehreren Artikeln
sich auf andere Bestimmungen bezogen, diese also so in den
Verfassungstext eingefügt. Es fragt sich, ob diese angezogenen
Bestimmungen ohne weiteres damit für uns auch zu Verfassungs-
recht geworden sind. Dieser Frage hat WıEsE !’® eine ein-
gehende Untersuchung gewidmet. Indem er alle Bestimmungen,
die nur angeführt sind, um hervorzuheben, dass sie trotz der
Verfassung ihre Geltung behalten, als Verfassungsrecht aus-
schaltet 7%, spricht er diejenigen als solches an, die nach dem
klaren Wortlaut der Verfassungsurkunde als integrierende Be-
standteile dieser zu betrachten sind. Als solche findet er!”®:
1) Art. 49 des Postvertrages vom 23. November 1867 aus
Art. 52 RV.
170 So HÄNeEL, Stud. I 189, Arnpr 199, Zorn I 127 im Widerspruch
mit 1 482, Wurrie a. a. O. 31, Wıxzse a.a. O. 9, a. A. SCHLIEPHAKE 29.
1 2.20.9£. 172 Bei BezoLp III 129 fi,
173 Verfassungsänderungen nach Reichsrecht, 6 ff.
2 a, a. O. 8. 18, Beispiel: a. 50 al. 6 RV.
175 a. a. O. 20 ff. ähnl. Larann IV 31, 40 #.