_ 5 —
v. Liszt diese Bedingung des positiven Rechts für eine Inkon-
sequenz hält, gegenüber der Anschauung, die auch er vertritt,
dass Auslieferung ein Akt internationaler Rechtshilfe, und
nicht Rechtspflege sei. Seine Abhandlung in der Zeitschrift
für die gesamte Strafrechtswissenschaft Bd. 2 hat ihrem Titel
entsprechend nur die Bedeutung von Vorschlägen de jure con-
stituendo. So ist es zu verstehen, wenn er S. 61 (siehe auch
These 3 auf S. 75) schreibt: „Die Frage, ob eine Handlung
überhaupt strafbar sei, ist immer nur nach dem Rechte des die
Auslieferung begehrenden Staates zu entscheiden. Durchaus
gleichgültig ist es, ob die Handlung auch nach dem Rechte des
um die Auslieferung angegangenen Staates als strafbar erscheint
oder nicht“. Und es bedarf keiner besonderen Betonung, dass die
vom 16. deutschen Juristentag 1882 in Cassel gefassten Beschlüsse,
die auf v. Liszr’s Vortrag hin adoptiert wurden, ebenso ver-
standen werden wollen. Wenn hier These e) lautet (siehe den
Abdruck der Thesen bei HETZER S. 23): „Die Auslieferung ist
ein Akt internationaler Rechtshilfe und nicht der kosmopoli-
tischen Rechtspflege; sie setzt daher einen Strafanspruch des
requirierenden, nicht aber des requirierten Staates voraus. Ent-
stehen und Bestehen des behaupteten Strafanspruchs ist aus-
schliesslich nach dem Rechte des requirierenden Staates zu be-
urteilen“ — so ist auch ihr gedanklich der Eingang der These
a) beizufügen: „Es ist wünschenswert“, dass diese Auf-
fassung durchdränge. Von deutschen Schriftstellern hat
SCHÖNEMANN S. 36, 38, 40 die gleiche Ansicht vertreten, und
zwar bereits 1881. Er scheint sie auch für geltendes Recht
gehalten zu haben, wie sein Beispiel auf S. 23 beweist. Die
Schwierigkeiten, von denen er hier spricht, entfallen sofort,
wenn man die Klausel beiderseitiger Strafbarkeit zur Lösung
heranzieht. Es ist eben unlogischh an dem „durch ehrlich ge-
schlossene und ehrlich gehaltene Verträge garantierten Prinzip
der Gegenseitigkeit“ (S. 26) festzuhalten, und dann ein-