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scheidung der Frage findet sich in ihnen ausserdem ein zweites,
zumal in den Vereinbarungen mit Russland, nach dem die
Gesetzgebung des ersuchenden Staates für die Beurteilung
des Strafminimums ein für allemal entscheidet®. Zu einer ein-
heitlichen Lösung hat.es das Vertragsrecht der deutschen Einzel-
staaten somit nicht gebracht. Ist aber die Zugrundelegung des
französischen Strafrechts, wie selbstverständlich, auf die Verträge
mit Frankreich beschränkt geblieben, so muss doch seit der
Reichszeit auch das Russland gegenüber befolgte System als
verlassen angesehen werden. Zwar hat das Deutsche Reich bis-
her weder einen Auslieferungsvertrag mit Frankreich noch mit
Russland geschlossen, aus dem sich die Aufgabe einer früheren
Praxis diesen Ländern gegenüber nachweisen liesse, wohl aber
vertreten unsere Reichsverträge einen so bestimmt abweichen-
den Standpunkt, dass eine Rückkehr zu einer jener Anschau-
ungen als ausgeschlossen angesehen werden darf. Ihre ursprüng-
liche Bedeutung hat die Frage in neuerer Zeit eingebüsst, denn
nungsblatt 1851 S. 39; OLSHAUSEN, Auslieferungsverträge S. 164) in Art. 2
Zifter 3, 6, 7, 8. Vertrag Hessen-Frankreich vom 26. Januar 1853
(hessisches Regierungsblatt 1853 S. 152; OLSHAUSEN, Auslieferungsverträge
Ss. 179) in Art. 2 Ziffer 2, 4, 9. Vertrag Waldeck-Frankreich vom 10. Juli
1854 (Waldeck’sches Regierungsblatt 1854 S. 217; OLSHAUSEN, Auslieferungs-
verträge S. 204) in Art. 2 Ziffer 1,2,4,9. Vertrag Lübeck-Frankreich vom
3l. August 1847 (Sammlung der Lübeckschen Verordnungen 1846/47 Bd. 14
S. 109; OLSHAUSEN, Auslieferungsverträge S. 209) in Art. 2- Ziffer 3 (sehr
merkwürdig), 6, 8. Vertrag Hamburg-Frankreich vom 5. Februar
1848 (Sammlung Hamburger Verordnungen Bd. 22 S. 202; OLSHAUSEN, Aus-
lieferungsverträge 8. 217) in Art. 2 Ziffer 3, 6, 8, 10.
& Die Verträge zwischen Bayern und Russland vom 26./14. Fe-
bruar 1869 (Regierungsblatt für das Königreich Bayern 1869 S. 769; OLS-
HAUSEN, Auslieferungsverträge S. 228) und zwischen Hessen und Russ-
land vom 15./3. November 1869 (Grossherzoglich hessisches Regierungs-
blatt 1869 S. 53; OLsmAausen, Auslieferungsverträge S. 236) lassen hin-
sichtlich des Strafenminimums, das die Auslieferungsmässigkeit bedingt, in
Art. 3 Absatz 1 die Gesetzgebung des Extradition nachsuchenden Staates
massgebend sein. Allgemein lassen das Recht des ersuchenden Staates ent-
scheiden die beiden Vereinbarungen des Jahres 1885: Preussisch-rus-