Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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Strafbarkeit hat das Grossherzogtum aber gleichzeitig auf die 
Reziprozität verzichtet, denn für die genannten Vergehen hat es 
wohl die Auslieferungspflicht übernommen, aber kein Ausliefe- 
rungsrecht erhalten. Die Schweiz, die durch ihre geographi- 
schen Verhältnisse an sich in gleicher Lage ist, hat in ihrem 
Auslieferungsvertrag mit dem Deutschen Reich von 1874 die 
Aufnahme ebendieser Straftaten mit der ausdrücklichen Begrün- 
dung abgelehnt, dass ihre Strafgesetzgebung diese Delikte nicht 
legislation des deux pays, excepte dans les cas oü, & cause des institutions 
particulieres ou de la situation geographique du pays de refuge, les circon- 
stances de fait qui constituent le delit ne peuvent se produire.* Motive 
dazu siehe BEAUCHET p. 126. Kritik: v. Liszt, Sind gleiche Grundsätze 
usw. S. 62; v. BAR im Gerichtssaal Bd. 34 S. 491 fg. und im Lehrbuch 
Ss. 298 Anm, 7. Zu diesen einseitig strafbaren, aber dennoch auslieferungs- 
pflichtigen Delikten sollen z. B. gehören die für die Niederlande so wich- 
tigen Deichverletzungen (vVAn HEECKEREN VAN WASSENAER p. 62), die für 
Dänemark so gleichgültigen Bergwerksverbrechen (DE JONGE p. 140), die 
für Frankreich bedeutsame Flucht seiner Deportierten, die der Vertrag mit 
Peru vom 30. September 1874 ausdrücklich vorsieht (BEAUCHET p. 134). 
Dass dergleichen aber immer zu seltenen Ausnahmen gehört, dafür ist eine 
Mitteilung von 'TRAVAGLIA S. 449 charakteristisch: „1874 wollte die [italie- 
nische] Regierung durch Additionalverträge den Verzeichnissen der Reate 
ein ganz eigenartiges Reat, welches durch Gesetz vom 21. Dezember 1873 
getroffen wird, nämlich das Verbot des Engagierens von Kindern und jungen 
Leuten zu herumziehenden Beschäftigungen aufgenommen wissen. Der Um- 
stand, dass die Hauptunternehmer des sogenannten Handels mit italieni- 
schen Jungen in der Regel ihre Beute im Ausland auszunutzen pflegen, 
hätte Verträge zum Zwecke ihrer Auslieferung sehr wünschenswert er- 
scheinen lassen. Es wurden deshalb Unterhandlungen mit den Regierungen 
der Hauptstaaten Europas und der Vereinigten Staaten Amerikas ange- 
bahnt, allein die Ungleichheit der Gesetzgebung dieser Staaten mit der 
unsrigen musste der k. Staatsregierung in Kürze die Ueberzeugung auf- 
drängen, dass keine Aussicht, ihr Vorhaben durchzuführen, bestehe.“ Die 
gleiche Frage muss bei dem sog. Mädehenhandel auftauchen, wenn einige 
Staaten das Anwerben und Verhandeln weiblicher Personen — etwa im An- 
schluss an die Definition des Pariser Kongresses von 1902 — als neues De- 
likt in ihre Strafgesetze aufnehmen, andere nicht; näheres siehe bei GU- 
sTAvV Butz, Die Bekämpfung des Mädchenhandels im internationalen Rechte, 
Hagen i. W. 1908 (Leipziger Dissertation) S, 54 fg.
	        
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