Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

— 87 — 
vorgesehen habe”. Aus dem gleichen Grunde verharrte sie bei 
ihrem Sträuben gegen die Annahme der sogenannten Attentats- 
klausel, der Bestimmung, dass Königsmörder nicht als politische 
Verbrecher Asylrecht geniessen, sondern der gemeinen Ausliefe- 
rung unterworfen sein sollten. Da ihre Verfassung keinen König 
und ihre Gesetzgebung keinen Königsmord kennt, glaubte sie, 
auf die Voraussetzung beiderseitiger Strafbarkeit aller Ausliefe- 
rungsdelikte und damit auf die Reziprozität verzichten zu müs- 
sen®®. Von diesem strikten Festhalten an der Klausel zweisei- 
tiger Strafbarkeit ist die Schweiz in neuerer Zeit zurückgekom- 
men, soweit nur gemeine Verbrechen in Frage stehen. In ihrem 
von ALPHONSE RIVIER°®? entworfenen Auslieferungsgesetz vom 
22. Januar 1892 werden die Reate, zu deren Auslieferung die 
vertragliche Pflicht übernommen werden kann, aufgezählt. Dann 
sagt Artikel 4, dass die Auslieferung auch bewilligt werden könne, 
selbst wenn das Delikt „in dem Strafgesetze des Zufluchtkantons 
nicht besonders erwähnt ist, sofern diese Nichterwähnung lediglich 
die Folge äusserer Verhältnisse ist, wie z.B. der Verschiedenheit 
der geographischen Lage beider Länder“ !%, Für das deutsche 
Auslieferungsrecht ist diese Bereitwilligkeit der Schweiz, in Aus- 
nahmefällen auf die Klausel zu verzichten, nicht praktisch ge- 
»" Siehe die Mitteilung aus der deutschen Denkschrift zu diesem Ver- 
trage oben S. 60. 
#8 Vgl. v. MArTIıTZz, Rechtshilfe Bd. 2 S. 507; METTGENBERG, Atten- 
tatsklausel S. 110; TRAvAGLIA S. 280. Ob der befürchtete Mangel an Re- 
ziprozität wirklich einträte, erscheint fraglich, sobald man die Familien- 
mitglieder streicht; sind doch die Präsidenten der französischen Republik 
und ebenso die der amerikanischen Freistaaten ohne Umstände in den 
Schutz der Attentatsklausel aufgenommen worden (v. MArTıTz, Rechtshilfe 
Bd. 2 S, 539; METTGENBERG, Attentatsklausel S, 106; unrichtig BEAUCHET 
p. 134). 
» Dessen Anschauungen siehe in seinen Principes Bd. 1 p. 349. 
100 Abgedruckt in v. Marrıtz, Rechtshilfe Bd. 2 S. 811. Vgl. dazu 
Art. 1 desselben Gesetzes, von dem oben S, 16 bereits die Rede war. Siehe 
v. Martrıtz a. a. OÖ. Bd. 2 S. 524; Fun S. 278. Der Einfluss des Insti- 
tuts für Völkerrecht ist hier unverkennbar.
	        
Waiting...

Note to user

Dear user,

In response to current developments in the web technology used by the Goobi viewer, the software no longer supports your browser.

Please use one of the following browsers to display this page correctly.

Thank you.