Full text: Archiv für öffentliches Recht. Band 25 (25)

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aussetzung. Wer sie verwirft, verwirft damit die Gegenseitigkeit. 
Wie kann diese bestehen, wenn eine auslieferungspflichtige Tat 
zu finden wäre, die nur von einem Kontrahenten bestraft wird, 
derentwegen folgerecht nur einer eine Strafverfolgung einleiten 
und Auslieferung begehren kann. Dann läge eine ungleiche Ver- 
teilung von Recht und Pflicht, mithin Verzicht auf Mutualität 
vor. Hier übernimmt der Teil, welcher "die Tat nicht bestraft, 
Pflichten, für die ihm ein Gegenrecht nicht gewährt wird. So 
kann überall da, wo die beiderseitige Strafbarkeit der Ausliefe- 
rungsreate nicht gegeben ist, von Reziprozität nicht gesprochen 
werden. Die Verknüpfung der beiden Anschauungen im mate- 
riellen Auslieferungsrecht ist so eng, dass sich die Ausdrücke in 
der Literatur und in den Materialien wahllos für dieselbe Sache 
verwertet finden !®, Das ist aber streng genommen nicht zu- 
lässig, denn, auch wenn man davon absieht, dass die Reziprozität 
als Prinzip nicht auf das materielle Auslieferungsrecht — in 
Wirklichkeit nicht einmal auf das Auslieferungsrecht überhaupt 
— beschränkt bleibt, so sind die beiden Begriffe an sich auch 
auf diesem Sondergebiet nicht identisch. Sie verhalten sich zu 
einander wie das Mittel zu seinem Zweck. Während die Rezi- 
prozität ein eigenartiges Pflichtenverhältnis darstellt, ist die Klau- 
sel beiderseitiger Strafbarkeit das Mittel, durch welches die Eigen- 
art des Verhältnisses erzielt werden soll. Die Gegenseitigkeit 
erzeugt aus sich die Klausel, wie diese umgekehrt der Weg ist, 
auf dem man zu der Reziprozität zu gelangen denkt. Die Klau- 
sel ist nicht Selbstzweck, sondern das Mittel zum Zweck des 
allgemeinen Gedankens, Mutualität herzustellen. Beide Anschaun- 
ungen liegen somit auf derselben Linie; die Tendenz geht über 
die Klausel hinweg nach der Invizinität hin. Beide sind in die- 
sem Sinne Bedingungen für die Auslieferung, aber . die beider- 
seitige Strafbarkeit der auslieferungspflichtigen Delikte ist die 
  
102 Siehe nur BEAUCHET p. 152 und die deutsche Denkschrift zu dem 
Vertrag mit Italien oben S$. 58.
	        
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